Die Brücke
aber Andrea an einen ein
bißchen gemütlicheren Platz zu manövrieren als die
zugige Eingangshalle mit ihren kalten Fliesen und ihrer stacheligen
Türmatte, da wurde eine solche Entscheidung unnötig. Es
war, als erwache sein Körper zu dem, was geschah, als
übertrage sich ein augenblicklich ausbrechendes Fieber von ihr
auf ihn. Er war plötzlich ebenso verzehrt, so wild, absurd
hingerissen wie sie, er wollte sie heftiger, als er, soweit er sich
erinnern konnte, jemals etwas gewollt hatte. Sie sanken auf die
Türmatte, sie zog ihn an sich, ohne Mantel oder Unterkleidung
auszuziehen. Es war für sie beide in Sekunden vorbei, und erst
dann weinte sie.
Der Rechtsanwalt hatte ihm seine Golfschläger vererbt. Er
mußte lächeln; es war eine nette Geste. Seiner Frau –
die eigenes Geld besaß – hinterließ er das Haus am
Moray Place. Der Sohn bekam alle seine juristischen Bücher und
die beiden wertvollsten Gemälde. Andrea sollte den Rest haben,
ausgenommen ein paar Tausender, die an die Kinder des Sohns und ein
paar Nichten und Neffen und zwei Wohltätigkeitsinstitutionen
gingen.
Der Sohn hatte mit dem Besitz zu tun. Deshalb fuhren er und Andrea
Mrs. Cramond nach Prestwick zu ihrem Nachtflug in die USA. Er hatte
den Arm um Andreas schlanke Schultern gelegt und sah das Flugzeug
steigen, über dem dunklen Clyde in die Kurve gehen und die
Richtung nach Amerika einschlagen. Er bestand darauf, zu warten, bis
sie es nicht länger sehen konnten. Also standen sie da und sahen
die blinkenden Lichter vor dem letzten Glühen des Tages kleiner
und kleiner werden. Irgendwo über dem Mull of Kintyre, als er es
fast schon aus dem Auge verloren hatte, stieg das Düsenflugzeug
aus dem Schatten der Erde und in das zurückweichende
Sonnenlicht. Sein Kondensstreifen flammte plötzlich in
herrlichem Rot vor dem tiefen Dunkelblau auf. Andrea hielt den Atem
an, dann stieß sie ein kleines Lachen aus, das erste, seit sie
die Nachricht über ihren Vater erhalten hatte.
Im Wagen, auf der Fahrt nach Norden an dem tiefen, dunklen
Fluß entlang gestand er ihr, er habe nicht gewußt,
daß der Kondensstreifen auf diese Weise erscheinen werde, und
nach einem Augenblick des Zögerns erzählte er, wie er vor
einem Jahr versucht hatte, dem nach Paris fliegenden Jet zu folgen.
Sentimentaler Dummkopf, sagte sie zu ihm und küßte
ihn.
Sie besuchten seinen Vater und nahmen sich dann ein paar Tage
frei. Sie brauchte erst in zwei Wochen wieder nach Paris zurück,
und er hatte keine dringende Arbeit. Deshalb fuhren sie ins Blaue
hinein, übernachteten in kleinen Hotels und Pensionen und
wußten morgens, wenn sie aufstanden, nicht, wohin des Weges der
Tag sie führen würde. Sie besuchten Mull, Skye, Cape Wrath,
Inverness, Aberdeen, Dunfermline – wo sie bei Stewart und Shona
wohnten –, und machten einen Bogen um die Brücke und die
Stadt, um über Culross und Stirling, Blyth Bridge und Peebles
zur Grenze zu fahren. In diese Zeit fiel ihr Geburtstag; er kaufte
ihr ein Armband aus Weißgold. Am letzten Tag, als sie von
Jedburgh nach Edinburgh zurückfuhren, sah sie in der Ferne den
Turm. »Laß uns dahin«, sagte sie.
Mit dem Saab konnten sie nur bis auf eine halbe Meile herankommen.
Sie parkten an einer schmalen, verlassenen Straße. Andrea zog
ihre Tennisschuhe an, er nahm seine Kamera, und sie wanderten quer
über ein Feld, bergauf durch einen Wald und dichtes Farnkraut
bis zu dem Turm, der auf einem breiten, grasbewachsenen
Felshügel stand. Er hätte von der Straße aus nicht
gedacht, daß der Turm so groß war. Er war massig; so
hatte ein hiesiger Laird zu Beginn des vorigen Jahrhunderts das
Problem der Arbeitslosigkeit gelöst und gleichzeitig einem Mann
und einer großen Schlacht ein Denkmal gesetzt.
Die dunklen Steine sahen aus, als widerstünden sie dem Wind
auf ewig. Ein schwerer grauer Holzaufbau, der oben vorsprang,
enthielt eine offene Aussichtsplattform unter einem
kegelförmigen Holztürmchen. Er hätte gemeint, zu einem
solchen Ort führe eine Straße, dort gebe es einen
Parkplatz, einen Andenkenladen, Drehkreuze, Wächter und
Eintrittskarten und Handel. Anscheinend existierte nicht einmal ein
Fußpfad. Sie standen da und verrenkten sich den Hals beim
Hochsehen. Die Aussicht von dem Hügel war so schon sehr
eindrucksvoll. Er machte ein paar Fotos.
Grinsend drehte sie sich zu ihm um. »Was sagtest du doch, wie
dieser Ort heißt?« Er sah auf der Landkarte nach, die er
bei sich trug, und zuckte die Achseln.
»Penielhaugh, glaube
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