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Die Brücke

Die Brücke

Titel: Die Brücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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ignorieren. Er kämmte sich das Haar so, daß
die kahle Stelle – sie hatte kaum die Größe eines
Zwei-Penny-Stücks – nicht besonders auffiel. Bei seiner
Zeitungslektüre wechselte er zum Guardian über.
    Er verbrachte jetzt mehr Zeit mit seinem Vater. Öfters
besuchte er ihn am Wochenende in der neuen kleinen Sozialwohnung und
erfreute den alten Mann mit Geschichten aus der wundervollen Welt der
Technik in den Siebziger Jahren: Pipelines und Crackers und
Fiberglas, die Benutzung von Laserstrahlen, Radiographie, die
Nebenprodukte der Weltraumforschung. Er beschrieb die wütenden
Kräfte, die unglaubliche Energie bei der Dampfreinigung eines
Kraftwerks, wenn die eben fertiggestellten Boiler angeheizt werden,
Wasser eingefüllt wird, superheißer Dampf in die Rohre
strömt und alle losen Metallteilchen, fallengelassenen
Handschuhe und Werkzeuge und Schrauben und Bolzen und verfaulende
Apfelgehäuse und sonst noch alles mögliche durch die
großen Rohre rast und in die Atmosphäre geblasen wird, um
das ganze System von Unrat zu reinigen, bevor die letzten
Rohrverbindungen von den Boilern zu den Turbinen mit ihren Tausenden
von empfindlichen und teuren Schaufeln und geringen Toleranzen
hergestellt werden. Einmal hatte er gesehen, wie der Kopf eines
Hammers bei einer Dampfreinigung eine Viertelmeile weit geschleudert
wurde; er durchschlug die Seitenwand eines geparkten Lieferwagens.
Der Lärm konnte eine Concorde beschämen; es war ein
Lärm wie das Ende der Welt. Sein Vater lächelte und nickte
gedankenverloren in seinem Sessel.
    Er kam immer noch mit den Cramonds zusammen; er und der
Rechtsanwalt saßen oft bis spät in die Nacht zusammen wie
zwei alte Männer und diskutierten über Gott und die Welt.
Mr. Cramond glaubte, Gesetz und Religion und Furcht seien notwendig
und eine starke Regierung, sogar eine schlechte, sei besser als gar
keine. Sie stritten sich, aber immer in aller Freundschaft. Er konnte
sich nicht erklären, warum oder wie sie miteinander auskamen.
Vielleicht weil sie letzten Endes beide das, was der andere sagte,
nicht ernst nahmen, vielleicht, weil sie beide das, was sie selbst
sagten, nicht ernst nahmen, vielleicht, weil sie beide überhaupt
nichts völlig ernst nahmen. Sie stimmten darin überein, es
sei alles ein Spiel.
    Elvis Presley starb, aber es berührte ihn stärker,
daß Groucho Marx in der gleichen Woche starb. Er kaufte Alben
von den Clash und den Sex Pistols und den Damned, froh, daß
endlich etwas anderes und Anarchisches geschah, auch wenn er sich den
Jam, Elvis Costello und Bruce Springsteen öfter anhörte. Er
hatte, auch abgesehen von Stewart, immer noch Bekannte an der
Universität, er kannte Leute in ein paar kleinen
revolutionären Parteien. Sie hatten ihre Versuche eingestellt,
ihn zum Beitritt zu überreden, nachdem er erklärt hatte, er
sei absolut unfähig, einer Parteilinie zu folgen. Als China in
Vietnam eindrang und sie sich Mühe gaben, zu beweisen, daß
wenigstens einer von ihnen kein Sozialist sei, fand er die sich
daraus ergebenden theologischen. Verdrehungen außerordentlich
belustigend. Er nahm sporadisch an den Zusammenkünften einer
Gruppe teil, die sich dem Schreiben von Gedichten widmete, und hatte
dadurch Kontakt zu ein paar jüngeren Leuten. Er kannte ein paar
wenige von Andreas alter Clique, und in der neuen Firma, für die
er arbeitete, gab es zwei Kollegen, die ihm sympathisch waren. Er war
jung, er hatte sein gutes Auskommen, und auch wenn er gern
größer gewesen wäre und sein Haar eine braune
Allerweltsfarbe hatte (und eine kahle Stelle von der Größe
eines Fünfzig-Pence-Stückes – Inflation), war er nicht
unattraktiv. Er hatte aufgehört, die Frauen zu zählen, mit
denen er schlief. Alle zwei oder drei Tage kaufte er eine Flasche
Laphroaig oder Macallan, er kaufte alle zwei Monate Haschisch und
rauchte für gewöhnlich vor dem Einschlafen einen Joint.
Für ein paar Wochen gab er den Whisky auf, nur um sich zu
vergewissern, daß er nicht zum Alkoholiker wurde. Dann setzte
er sich auf eine Ration von einer Flasche pro Woche.
    Die beiden Männer in der Firma, die ihm sympathisch waren,
versuchten, ihn zu überreden, mit ihnen gemeinsam ein eigenes
Geschäft zu gründen. Er war sich nicht sicher, sprach mit
Mr. Cramond und mit Stewart darüber. Der Rechtsanwalt meinte, im
Prinzip sei es eine gute Idee, aber es würde schwere Arbeit
bedeuten; die Menschen stellten sich heutzutage alles viel zu leicht
vor. Stewart lachte und sagte: »Nun, warum

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