Die Brücken Der Freiheit: Roman
einziger unter ihnen, der bereit gewesen wäre, für Lennox zu arbeiten.
Er hatte dann versucht, eine Frau namens Gwen Sixpence zum Stehlen zu zwingen, war aber von ihr und zwei Freundinnen der Hehlerei bezichtigt und nachfolgend vor Gericht gestellt und verurteilt worden. Die Jamissons hatten interveniert und ihn vor dem Galgen gerettet, seine Deportation aber nicht verhindern können.
Die großen Holztore des Gefängnisses öffneten sich weit. Draußen wartete bereits eine achtköpfige bewaffnete Eskorte. Ein Aufseher gab dem ersten Paar an der Kette einen brutalen Stoß. Langsam setzte sich der Zug in Bewegung und gelangte auf die belebte Straße hinaus.
»Wir sind nicht weit von der Fleet Street entfernt«, sagte Mack. »Vielleicht erfährt Caspar ja doch noch von diesem Marsch hier.«
»Und was hätten wir davon?« fragte Cora.
»Er könnte den Kapitän bestechen und uns eine Vorzugsbehandlung verschaffen.«
Mack hatte sich in Newgate bei Gefangenen, Aufsehern und Besuchern nach den näheren Umständen der Atlantiküberquerung erkundigt und dabei einiges in Erfahrung gebracht. Das einzige, was zweifelsfrei feststand, war die Tatsache, daß viele die Reise nicht überlebten. Ob es sich bei den Passagieren um Sklaven, Sträflinge oder Vertragsarbeiter handelte, spielte keine Rolle: Für alle waren die Lebensbedingungen unter Deck ungesund bis zur Lebensgefahr. Die Schiffseigner motivierte das Geld - sie pferchten so viele Menschen wie möglich in ihre Stauräume. Doch die Kapitäne standen ihnen mit ihrer Gewinnsucht in nichts nach: Gegen Schmiergeld bar auf die Hand konnte ein Gefangener auch eine Kabine bekommen.
Ihr letzter Gang durch die Innenstadt war ein reines Spießrutenlaufen. Die Londoner blieben auf der Straße stehen und sahen den Sträflingen nach. Einige wenige riefen ihnen trostreiche Worte zu, andere johlten und machten sich über sie lustig, wieder andere bewarfen sie mit Steinen oder Abfall.
Mack bat eine freundlich aussehende Frau, Caspar Gordonson zu benachrichtigen, aber sie schlug ihm seine Bitte ab. Er versuchte es noch zweimal, doch das Ergebnis war immer das gleiche.
Wegen der Fußeisen kamen sie nur langsam voran. Erst nach über einer Stunde erreichten sie schlurfend den Hafen. Auf der Themse herrschte ein geschäftiges Treiben. Schiffe, Lastkähne, Fähren, Flöße fuhren hin und her, denn die Streiks waren von den Truppen erfolgreich niedergeschlagen worden. Es war ein warmer Frühlingsmorgen, und das Sonnenlicht brach sich auf der Oberfläche des trüben Flusses. Ein Boot lag bereit, sie zu ihrem Schiff zu bringen, das in der Flußmitte ankerte. Mack merkte sich den Namen - es war die Rosebud.
»Gehört das Schiff den Jamissons?« fragte Cora.
»Die meisten Sträflingsschiffe gehören ihnen, glaube ich.«
Als Mack vom schlammigen Ufer aus ins Zubringerboot stieg, war ihm klar, daß er auf Jahre hinaus britischen Boden nicht mehr betreten würde. Vielleicht war es sogar ein Abschied für immer. Seine Gefühle waren zwiespältig: Bange Erwartung mischte sich mit einer unbekümmerten Neugier auf ein neues Land und ein neues Leben.
An Bord zu kommen war gar nicht einfach: Paarweise und mit den Eisen an den Füßen mußte man die Leiter hinaufklettern. Peg und Cora schafften es ziemlich problemlos, denn sie waren beide noch jung und gelenkig. Mack mußte Barney tragen. Zwei aneinandergekettete Männer fielen in den Fluß. Weder die Wachen noch die Seeleute kümmerten sich um die beiden, und hätten nicht andere Gefangene sie wieder ins Boot gezogen, wären sie mit Sicherheit ertrunken.
Das Schiff war nicht einmal dreißig Meter lang und gut sieben Meter breit. »Mein Gott«, bemerkte Peg, »ich bin schon in Salons eingebrochen, die größer waren als dieser Kahn.« An Deck befanden sich ein Hühnerverschlag, ein kleiner Schweinestall und eine angepflockte Ziege. Auf der anderen Seite des Schiffs wurde gerade mit Hilfe der als Kran zweckentfremdeten Raanock ein herrlicher Schimmel aus einem Boot an Bord gehievt. Eine magere Katze bleckte ihre Zähne, als Mack ihr zu nahe kam. Er sah noch aufgeschossene Taue und eingerollte Segel, der Geruch frischer Farbe drang ihm in die Nase, und er spürte eine leichte schaukelnde Bewegung unter seinen Füßen. Dann wurden er und Barney durch eine Luke gestoßen und mußten über eine Leiter in den Laderaum hinabsteigen.
Es gab insgesamt zwei Unterdecks und einen Stauraum. Im ersten Deck saßen vier Seeleute mit gekreuzten Beinen auf dem
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