Die Brücken Der Freiheit: Roman
für Fässer aussahen. Auf dem Verschlag neben ihr bewegte sich etwas, und es klirrte wie von einer Kette. Erschrocken fuhr sie auf und erkannte zu ihrem Entsetzen, daß die Bewegung zu einem Fuß mit einem Fußeisen gehörte. Nun sah sie, daß auf dem Brett jemand lag - nein, es waren zwei Menschen, die dort lagen, und sie waren an den Knöcheln aneinandergekettet. Und dann sah sie das nächste Paar, Schulter an Schulter mit dem ersten, und gleich daneben das dritte… Sie lagen in diesen Regalen aufgereiht wie Heringe in der Auslage eines Fischhändlers.
Das ist bestimmt nur eine vorübergehende Unterbringung, dachte sie. Sicher bekommen sie bald ordentliche Kojen, spätestens wenn wir unterwegs sind… Doch Lizzie sah schon sehr bald ein, wie töricht diese Vorstellung war. Wo sollten diese Kojen denn sein? Sie befand sich im Hauptstauraum des Schiffes, der einen Großteil des unter Deck verfügbaren Platzes einnahm. Wo hätten die Armseligen sonst noch untergebracht werden können? Nein, es gab keinen Zweifel: Sie würden mindestens sieben Wochen hier in der luftlosen Düsternis verbringen müssen.
»Lizzie Jamisson!« raunte eine Stimme.
Lizzie zuckte zusammen. Sie erkannte den schottischen Tonfall: Es war Mack. Sie starrte ins Dunkel. »Mack, wo sind Sie?«
»Hier.«
Sie ging ein paar Schritte in den schmalen Gang zwischen den Pritschen hinein. Ein Arm reckte sich ihr entgegen, gespenstisch grau im trüben Licht. Sie drückte Macks harte Hand. »Das ist ja furchtbar«, sagte sie. »Was kann ich tun?«
»Zur Zeit überhaupt nichts«, sagte Mack.
Sie erkannte Cora neben ihm und Peg neben Cora. Wenigstens waren sie beisammen. Irgend etwas in Coras Gesichtsausdruck veranlaßte Lizzie, Macks Hand loszulassen. »Vielleicht kann ich dafür sorgen, daß ihr genug zu essen und zu trinken bekommt«, sagte sie.
»Ja, das wäre nett.«
Lizzie wußte nichts mehr zu sagen und stand eine Zeitlang schweigend da. »Wenn ich es einrichten kann, schaue ich jeden Tag bei euch vorbei«, sagte sie schließlich.
»Danke.«
Lizzie drehte sich um und hastete hinaus.
Ein empörter Protest lag ihr auf den Lippen, als sie zu den beiden Männern zurückkehrte. Doch als sie Silas Bone und seinen verächtlichen Blick sah, verbiß sie sich ihre Bemerkung. Die Sträflinge waren an Bord, und das Schiff würde in Kürze Segel setzen. Was immer sie sagen würde - es würde nichts mehr ändern. Ein Protest würde lediglich Bones Warnung bestätigen, daß Frauen unter Deck nichts zu suchen hätten.
»Die Pferde sind sehr gut untergebracht«, sagte Jay zufrieden.
»Besser als die Menschen, ja!« Diese Bemerkung konnte sich Lizzie nun doch nicht verkneifen.
»Ach ja, das erinnert mich an etwas!« sagte Jay. »Bone, da unten im Stauraum befindet sich ein Häftling namens Sidney Lennox. Lassen Sie ihm die Eisen abnehmen, und geben Sie ihm eine Kabine, bitte.«
»Ayeaye, Sir.«
»Wieso ist denn dieser Lennox dabei?« fragte Lizzie bestürzt.
»Er wurde der Hehlerei überführt. Doch unsere Familie hat sich seiner in der Vergangenheit gelegentlich bedient. Wir können ihn daher jetzt nicht einfach fallenlassen. Er könnte da unten sterben.«
»Oh, Jay!« schrie Lizzie verzweifelt. »Das ist doch ein hundsgemeiner Kerl!«
»Ganz im Gegenteil. Er ist recht nützlich.«
Lizzie wandte sich ab. Sie war so froh darüber gewesen, daß Lennox in England zurückblieb. Was für ein Pech, daß er nun auch deportiert wurde. Würde Jay denn nie seinem bösen Einfluß entkommen?
»Die Flut setzt ein, Mr. Jamisson. Der Kapitän wird in Kürze den Anker lichten wollen.«
»Meine Empfehlungen an den Käpt'n. Nur zu!«
Sie kletterten alle die Leiter hinauf.
Ein paar Minuten später standen Lizzie und Jay am Bug und sahen, wie sich das Schiff mit der einsetzenden Ebbe flußabwärts bewegte. Eine frische Abendbrise pfiff Lizzie um die Wangen. Als die St.-Pauls-Kathedrale hinter den Silhouetten der Speicherhäuser verschwand, fragte sie: »Ob wir London je wiedersehen werden?«
DRITTER TEI L VIRGINI A
Kapitel 1
MACK LAG IM LADERAUM der Rosebud und wurde von Fieberkrämpfen geschüttelt. Er kam sich vor wie ein Tier: verdreckt, fast nackt, angekettet, hilflos. Er konnte kaum stehen, doch sein Geist war noch immer klar. Nie wieder, schwor er sich, wird man mich mit Eisenketten fesseln. Eher kämpfe ich und versuche zu fliehen, ja eher lasse ich mich töten, als daß ich noch einmal eine solche Demütigung ertrage.
Ein aufgeregter Schrei
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