Die Brücken Der Freiheit: Roman
haben die Schwester umgebracht - vielleicht können wir den Bruder retten.«
»Ich komme auch mit«, sagte Lady Hallim.
Der Gerichtssaal war voller Menschen. Lizzie kam sich verloren vor. Sie hatte keine Ahnung, wohin sie sich wenden sollte, und weder ihre Mutter noch Pastor York konnten ihr helfen. Sie zwängte sich durch das Gedränge und hielt Ausschau nach Gordonson und Mack. An einer niedrigen Mauer, die einen Innenraum umschloß, konnte sie die beiden endlich entdecken. Sie rief ihnen etwas zu, worauf Gordonson aufstand und ihr durch eine Tür entgegenkam.
Zur gleichen Zeit tauchten auch Sir George und Jay auf.
»Lizzie, was treibst du denn hier?« sagte Jay in vorwurfsvollem Ton.
Sie beachtete ihn nicht und wandte sich an Gordonson: »Dies hier ist Pastor York aus unserem Heimatdorf in Schottland. Er ist gekommen, weil er das Gericht um Gnade für Mack bitten will.«
Sir George drohte York mit dem Finger. »Wenn Sie auch nur einen Funken Verstand im Kopf haben, dann machen Sie auf der Stelle kehrt und scheren sich schleunigst nach Schottland zurück.«
»Außerdem werde ich persönlich das Gericht um Gnade bitten«, sagte Lizzie.
»Ich danke Ihnen!« erwiderte Gordonson, und man spürte, daß ihm ein Stein vom Herzen fiel. »Etwas Besseres können Sie gar nicht tun!«
»Ich habe versucht, sie zurückzuhalten, Sir George«, sagte Lady Hallim.
Jay lief rot an vor Wut. Er packte Lizzie am Arm und drückte fest zu. »Was unterstehst du dich?« fauchte er. »Mich in dieser Form zu demütigen! Ich verbiete dir ausdrücklich, hier das Wort zu ergreifen!«
»Wollen Sie die Zeugin einschüchtern?« fragte Gordonson.
Jay sah aus, als habe man ihn auf frischer Tat ertappt, und ließ Lizzie los. Ein Rechtsanwalt mit einem Aktenbündel unter dem Arm drängte sich zwischen ihnen hindurch. »Müssen wir das hier diskutieren, wo alle Welt uns sieht?« fragte Jay.
»Ja«, sagte Gordonson. »Wir dürfen das Gericht nicht verlassen.«
»Was, zum Teufel, hast du vor, Mädchen?« fragte Sir George Lizzie.
Der anmaßende Ton trieb Lizzie zur Weißglut. »Du weißt verdammt gut, was ich vorhabe!« fuhr sie ihren Schwiegervater
an. Die Männer waren bestürzt über ihre anstößige Wortwahl. Auch zwei, drei Unbeteiligte in der Nähe merkten auf und drehten sich nach ihr um. Lizzie ließ sich dadurch nicht im mindesten beeindrucken. »Ihr habt diesen Aufruhr inszeniert, um McAsh in eine Falle zu locken. Ich werde nicht friedlich danebenstehen und zusehen, wie ihr ihn an den Galgen bringt!«
Sir George war puterrot im Gesicht. »Denk daran, daß du meine Schwiegertochter bist, und…«
»Halt's Maul, George!« unterbrach sie ihn. »Ich lasse mich von dir nicht einschüchtern!«
Sir George stand da wie vom Donner gerührt. Das hat ihm noch keiner gesagt, dachte Lizzie.
Jay sprang seinem Vater bei. »Du darfst nichts tun, was deinem Ehemann schadet!« tobte er. »Das ist treulos!«
»Treulos?« Voller Verachtung nahm Lizzie das Wort auf. »Wer bist denn du, daß du es wagst, an meine Treue zu appellieren? Du hast mir geschworen, daß auf meinem Grund und Boden nicht nach Kohle geschürft wird - und hast dann das genaue Gegenteil getan. Du hast mich schon an unserem Hochzeitstag verraten!«
Einen Augenblick lang sagte niemand von ihnen ein Wort, und Lizzie konnte jenseits der Mauer einen Zeugen hören, der mit lauter Stimme seine Aussage machte.
»Du weißt also auch über das Unglück Bescheid?« fragte Jay.
Lizzie holte tief Luft. »Ich darf euch darüber in Kenntnis setzen, daß Jay und ich vom heutigen Tag an getrennt leben werden. Unsere Ehe wird nur noch auf dem Papier existieren. Ich werde nach Schottland zurückkehren und dort in meinem Haus leben. Jeglicher Besuch von Mitgliedern der Familie Jamisson ist unerwünscht. Und was meinen Einsatz für McAsh betrifft: Ich werde euch nicht dabei helfen, meinen Freund an den Galgen zu bringen, und ihr könnt mich - beide! - am Arsch lecken!«
Sir George war so außer sich, daß er kein Wort hervorbrachte. Seit Jahren hatte niemand mehr in diesem Ton mit ihm gesprochen. Sein Gesicht hatte die Farbe Roter Bete, seine Augen traten aus den Höhlen. Das einzige, was über seine Lippen kam, war ein blubberndes Geräusch.
Caspar Gordonson wandte sich an Jay: »Darf ich einen Vorschlag machen?«
Jay sah ihn böse an und sagte kurz angebunden: »Ja, ja, meinetwegen.«
»Vielleicht wird sich Mrs. Jamisson dazu bewege n lassen, auf ihre Aussage zu verzichten - unter einer
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