Die Brücken Der Freiheit: Roman
Anerkennung habe ich bekommen. Geliebt hat Sir George in seinem Leben nur eine einzige Frau, und das war Olivia. Er hat mich das stets spüren lassen. Nein, ich will kein Mitleid! Ich habe mir das selber eingebrockt und vierundzwanzig Jahre lang durchgehalten. Nur soll man jetzt von mir nicht verlangen, die trauernde Witwe zu spielen. Das einzige, was ich verspüre, ist ein Gefühl der Befreiung.«
»Das ist ja furchtbar«, flüsterte Lizzie, und ein Schauer überlief sie: Mir stand das gleiche Schicksal bevor, dachte sie bei sich. Aber ich bin nicht bereit, mich darein zu fügen. Ich werde fliehen… Ihr war allerdings klar, daß sie sich von nun an vor Alicia hüten mußte.
»Wo ist Jay?« fragte Alicia.
»Er ist nach Williamsburg gereist, um neue Kredite aufzutreiben.«
»Die Pflanzung läuft also nicht besonders, wie?«
»Unsere Tabakernte wurde nicht abgenommen.«
Ein Anflug von Traurigkeit huschte über Alicias Gesicht. Lizzie erkannte, daß Jay nicht nur für seine Frau, sondern auch für seine Mutter eine Enttäuschung war - nur würde Alicia dies niemals zugeben.
»Du wirst sicher wissen wollen, was in Sir Georges Testament stand«, sagte Alicia.
Lizzie hatte darauf noch keinen Gedanken verschwendet. »Hatte er denn überhaupt noch so viel zu vererben? Soviel ich weiß, steckte er in geschäftlichen Schwierigkeiten.«
»Die Kohle aus High Glen hat seine Geschäfte saniert. Als er starb, war er steinreich.«
Ob er Alicia etwas hinterlassen hat, dachte Lizzie. Wenn nicht, dann spekuliert sie womöglich noch darauf, fortan bei ihrem Sohn und ihrer Schwiegertochter zu wohnen… »Hat Sir George für dich gesorgt?« fragte sie.
»O ja! Über meinen Anteil einigten wir uns glücklicherweise bereits vor der Eheschließung.«
»Und den Rest bekam Robert, nicht wahr?«
»Damit hatten wir alle gerechnet, ja. Aber mein Gatte bestimmte, daß ein Viertel seines Vermögens zu gleichen Teilen allen legitimen Enkelkindern zufallen solle, die binnen eines Jahres nach seinem Ableben das Licht der Welt erblicken. Dein Baby ist also sehr wohlhabend. Wann zeigst du mir denn den Kleinen - oder ist es eine Sie?«
Alicia hatte London verlassen, ehe Jays Brief dort eingetroffen war. »Ein kleines Mädchen«, sagte Lizzie.
»Wie süß! Sie wird einst eine reiche Frau sein.«
»Sie kam tot auf die Welt.«
Alicia fand kein Wort des Mitleids für Lizzie. »Teufel auch!« fluchte sie. »Sieh nur zu, daß möglichst bald das nächste kommt!«
Mack hatte den Planwagen mit Saatgut, Werkzeug, Seilen, Nägeln, Maismehl und Salz beladen. Mit Lizzies Schlüssel war er in die Waffenkammer eingedrungen und hatte sämtliche Gewehre und alle verfügbare Munition eingepackt. Auch eine Pflugschar hatte er geladen. An ihrem Zielort wollte er den Planwagen in einen Pflug umbauen.
Er hatte sich entschlossen, den Wagen mit vier Stuten zu bestücken und obendrein zwei Hengste mitzunehmen, so daß sie in absehbarer Zeit mit Fohlen rechnen konnten. Jay Jamisson wird toben, wenn er erfährt, daß seine wertvollen Pferde verschwunden sind, dachte er. Es wird ihn schwerer treffen als der Verlust seiner Frau…
Er war gerade dabei, die Vorräte auf dem Wagen festzuzurren, als Lizzie vor das Haus trat.
»Du hast Besuch?« fragte Mack.
»Alicia ist gekommen, Jays Mutter.«
»Gütiger Gott! Ich wußte gar nicht, daß sie unterwegs war.«
»Ich auch nicht.«
Mack runzelte die Stirn. Alicia bedrohte sein Vorhaben nicht, wohl aber ihr Mann. »Kommt Sir George auch?«
»Er ist tot.«
Ihm fiel ein Stein vom Herzen. »Dem Himmel sei Dank. Die Welt ist um einen Schurken ärmer.«
»Können wir trotzdem fahren?«
»Ich wüßte nicht, was dagegen spräche. Alicia kann uns nicht festhalten.«
»Und wenn sie zum Sheriff geht und angibt, daß wir all diese Dinge hier gestohlen haben?« Sie deutete auf die Vorräte, die sich auf der Ladefläche türmten.
»Denk doch an unsere Legende! Du besuchst einen Vetter, der sich gerade in North Carolina als Farmer niedergelassen hat. Du bringst ihm Geschenke.«
»Und das, obwohl wir bankrott sind?«
»Die Virginier sind dafür berühmt, daß sie selbst dann noch sehr freigebig sind, wenn sie es sich nicht mehr leisten können.«
Lizzie nickte. »Ich werde dafür sorgen, daß Colonel Thumson und Suzy Delahaye diese Geschichte zu hören bekommen.«
»Laß sie wissen, daß deine Schwiegermutter von deinen Plänen nichts hält und dir möglicherweise einen Strich durch die Rechnung machen
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