Die Brücken Der Freiheit: Roman
sowie drei Indianer auf einer entfernten Anhöhe. Heute waren ihnen nur mehrere Indianergruppen begegnet. Die Rothäute hatten sich weder freundlich noch feindselig verhalten, sondern einfach nur Distanz gewahrt.
Bebaute Felder hatten Mack und Lizzie schon lange nicht mehr gesehen. Je seltener die Gehöfte wurden, desto mehr Wild gab es - Bisons, Hirsche, Kaninchen und Millionen von eßbaren Vögeln: Truthähne, Enten, Waldschnepfen, Wachteln… Lizzie schoß mehr, als sie beide verzehren konnten.
Das Wetter war ihnen freundlich gesinnt gewesen. Am einzigen Regentag hatten sie sich mühselig durch den Matsch geschleppt und die ganze Nacht lang vor Kälte und Nässe gezittert. Tags darauf hatte die Sonne sie wieder getrocknet. Sie waren wund vom Reiten und bis auf die Knochen erschöpft, doch die Pferde hielten durch, gestärkt vom üppigen Gras, das sich überall in Mengen fand, und von dem Hafer, den Mack in Charlottesville gekauft hatte.
Von Jay hatten sie nichts gesehen oder gehört, aber das wollte nicht viel besagen: Mack ging von der Annahme aus, daß er immer noch hinter ihnen her war.
Sie ließen die Pferde im Holston trinken und setzten sich zur Rast ans steinige Ufer. Auf der Ebene hatte sich der Pfad allmählich verlaufen, und jenseits des Stromes war nicht der geringste Hinweis auf einen Weg auszumachen. Gen Norden stieg das Gelände stetig an, und am Horizont, vielleicht zehn Meilen weit entfernt, ragte drohend eine hohe Bergkette in den Himmel. Das war ihr Ziel.
»Dort muß irgendwo der Paß sein«, sagte Mack.
»Ich sehe keinen«, sagte Lizzie.
»Ich auch nicht.«
»Und wenn er dort nicht ist…«
»Dann suchen wir uns einen anderen«, gab Mack zurück.
Trotz seiner zuversichtlichen Worte war ihm angst und bange. Vor ihnen lag unerschlossenes Land. Berglöwen oder wilde Bären konnten sie überfallen. Die Indianer konnten feindselig werden. Für Besitzer eines Gewehrs gab es gegenwärtig nochNahrung im Überfluß - doch was würde im Winter geschehen?
Mack zog seine Landkarte hervor, obwohl sich in den letzten Tagen gezeigt hatte, daß man sich hier draußen kaum noch auf sie verlassen konnte.
»Mir wär's lieber, wir hätten jemanden nach dem Weg fragen können«, meinte Lizzie besorgt.
»Haben wir doch«, erwiderte Mack. »Und nicht nur einen.«
»Aber jeder hat uns was anderes erzählt.«
»Das allgemeine Bild war das gleiche«, sagte Mack. »Die Flußtäler erstrecken sich alle schräg von Nordosten nach Südwesten, genau wie auf unserer Karte. Wir müssen nach Nordwesten gehen, im rechten Winkel zu den Flüssen und über eine ganze Reihe hoher Bergketten.«
»Das schwerste dabei wird sein, die Pässe zu finden, die hinüberführen.«
»Wir werden einen Zickzackkurs einschlagen müssen. Wir nutzen jeden Paß, der uns nach Norden führt. Wenn uns eine Bergkette unüberwindlich erscheint, wenden wir uns wieder nach Westen und halten im Tal Ausschau nach dem nächsten Durchbruch nach Norden. Die Pässe befinden sich vielleicht nicht genau an den Stellen, wo sie auf der Karte verzeichnet sind, aber vorhanden sind sie ganz gewiß.«
»Na schön, es bleibt uns sowieso nichts anderes übrig, als einen Versuch zu wagen.«
»Wenn wir irgendwo nicht weiterkommen, müssen wir nur auf dem gleichen Weg zurückkehren und uns eine andere Route suchen.«
Lizzie lächelte. »Lieber das als Pflichtbesuche am Berkeley Square.«
Er grinste. Sie war zu allem bereit, und das liebte er an ihr. »Und besser, als nach Kohle zu buddeln, ist es allemal.«
Lizzies Miene verdüsterte sich. »Ich wünschte nur, Peggy wäre noch bei uns.«
Mack erging es nicht anders. Sie hatten keine Spur mehr von Peg entdeckt. Die Hoffnung, sie vielleicht einzuholen, hatte sich ebenfalls nicht erfüllt.
Lizzie hatte die ganze Nacht lang geweint. Ihr war, als hätte sie zwei Kinder verloren: zuerst ihr Baby und dann Peg. Es gab nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, wo sie sich aufhalten mochte, ja, sie wußten nicht einmal, ob das Mädchen überhaupt noch am Leben war. Daß sie ihr Möglichstes getan und sich gut um sie gekümmert hatten, war nur ein schwacher Trost. Mack und Peg hatten soviel gemeinsam durchgestanden - und einander am Ende doch verloren. Jedesmal, wenn er an die Kleine dachte, kamen ihm die Tränen.
Allerdings konnte er Lizzie nun Nacht für Nacht unter dem Sternenzelt lieben. Es war Frühling und das Wetter mild. Bald würden sie ihr Haus bauen und sich in den eigenen vier Wänden lieben können.
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