Die Brücken Der Freiheit: Roman
konnte der vor uns hier ankommen?«
»Und warum?« fügte Lennox hinzu.
»Fragen Sie ihn selbst«, sagte der Fährmann.
Jays Hoffnungen lebten wieder auf, und er hatte es eilig, das Rätsel zu lösen.
»Ihr kümmert euch um die Pferde«, befahl er. »Ich gehe und rede mit Dobbs.«
Das stattliche Gebäude längs des Anlegeplatzes war die Schenke. Jay trat ein und sah Dobbs an einem Tisch sitzen und Eintopf aus einer Schüssel löffeln.
»Was, zum Teufel, treiben Sie denn hier, Dobbs?«
Dobbs hob sein gesundes Auge und sprach mit vollem Mund: »Ich komme, um mir diese Belohnung abzuholen, Hauptmann Jamisson.«
»Wie meinen Sie das?«
»Da drüben.« Er deutete mit dem Kopf in eine Ecke.
Dort saß, an einen Stuhl gefesselt, Peg Knapp.
Jay starrte sie an. Wenn das kein Riesenglück war! »Wo, zur Hölle, haben Sie die eingefangen?«
»Ich hab' sie auf dem Weg südlich von Staunton gefunden.«
Jay runzelte die Stirn. »Wo wollte sie hin?«
»Nach Norden, in die Stadt. Ich kam gerade raus und wollte nach Miller's Mill.«
»Wie ist sie dort hingekommen?«
»Ich hab' sie gefragt, aber sie macht den Mund nicht auf.«
Jay sah, daß das Mädchen blaue Flecken im Gesicht hatte. Dobbs war nicht sehr freundlich mit ihr umgegangen.
»Ich sag' Ihnen, was ich glaube«, fuhr Dobbs fort. »Sie haben's fast bis hierher geschafft, sind aber nicht über den Fluß rüber, sondern weiter nach Westen gezogen. Irgendwo müssen sie den Planwagen stehengelassen haben. Sie sind dann zu Pferde weiter: immer am Fluß entlang bis zur Straße nach Staunton.«
»Aber Peg war allein, als Sie sie fanden.«
»Ja.«
»Und da haben Sie sie einfach aufgelesen.«
»So einfach war's nun auch wieder nicht«, protestierte Dobbs. »Sie lief wie der Wind vor mir davon. Jedesmal, wenn ich sie packen wollte, schlüpfte sie mir wie ein Aal durch die Finger. Aber ich hatte ein Pferd und sie nicht, und mit der Zeit wurde sie dann müde.«
Eine Quäkerin erschien und fragte Jay, ob er etwas zu essen wünsche. Ungeduldig winkte er sie fort; er brannte darauf, Dobbs auszufragen. »Aber wie sind Sie vor uns hier angekommen, Dobbs?«
Der einäugige Dobbs grinste. »Mit dem Floß den Fluß runter.«
»Die drei müssen sich gestritten haben«, sagte Jay aufgeregt. »Diese mörderische kleine Hexe hat die anderen verlassen und sich nach Norden verdrückt. Die anderen müssen folglich nach Süden gegangen sein.« Er runzelte die Stirn. »Wo wollen die eigentlich hin?«
»Die Straße führt bis Fort Chiswell. Danach gibt's kaum noch besiedeltes Land. Weiter im Süden ist noch ein Ort namens Wolf Hills. Danach gibt's nur noch Cherokee-Indianer. Da sie wohl kaum Indianer werden wollen, nehm' ich an, daß sie von Wolf Hills aus in die Berge gehen werden, also nach Westen. Die Jäger erzählen, daß es da irgendwo einen Paß gibt, die Cumberland-Schlucht, aber dort bin ich noch nie gewesen.«
»Was liegt hinter den Bergen?«
»Die reine Wildnis, heißt es. Gutes Jagdgebiet. Eine Art Niemandsland zwischen Cherokee und Sioux, das sogenannte Blaugrasland.«
Mit einemmal war Jay alles klar. Lizzie will in einem unbesiedelten Gebiet ein neues Leben beginnen, dachte er. Aber das wird ihr nicht gelingen! Ich werde sie vorher einfangen und zurückbringen - tot oder lebendig.
»Dieses Kind allein ist nicht viel wert«, sagte er zu Dobbs. »Wenn Sie die fünfzig Pfund haben wollen, müssen Sie uns dabei helfen, auch die anderen zwei noch einzufangen.«
»Sie wollen mich als Führer haben?«
»Richtig.«
»Die beiden haben schon zwei Tage Vorsprung vor uns, und ohne den Wagen kommen sie schnell voran. Es wird mindestens noch eine Woche dauern, sie einzuholen.«
»Wenn wir Erfolg haben, kriegen Sie die gesamte Summe von fünfzig Pfund.«
»Ich hoffe nur, wir erwischen sie, bevor sie den Pfad verlassen und sich in die Wildnis schlagen.«
»Amen«, sagte Jay.
Kapitel 1 5
ZEHN TAGE, NACHDEM PEG DAVONGELAUFEN WAR, ritten Mack und Lizzie durch eine weite, flache Ebene und erreichten den mächtigen Holston River.
Mack war in Hochstimmung. Sie hatten zahllose Flüsse und Bäche durchquert, doch dies war zweifellos der Strom, den sie gesucht hatten. Er war viel breiter als die anderen, und in seiner Mitte lag eine langgezogene Insel. »Hier ist es«, sagte er zu Lizzie. »Das ist das Ende der Zivilisation.«
Schon seit mehreren Tagen hatten sie das Gefühl, beinahe allein auf der Welt zu sein. Gestern hatten sie nur einen Weißen gesehen, einen Trapper,
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