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Die Brücken Der Freiheit: Roman

Die Brücken Der Freiheit: Roman

Titel: Die Brücken Der Freiheit: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Schulbank drückten. Doch die Bevölkerung von London war so rastlos und unberechenbar, daß zur Niederschlagung möglicher Unruhen ständig Truppen in Bereitschaft gehalten wurden. Alle paar Tage machten irgendwelche Berufsgruppen ihrem Unwillen Luft, indem sie streikten, zum Parlament marschierten oder randalierend durch die Straßen zogen und Fensterscheiben einschlugen. Erst in der vergangenen Woche hatten über Lohnsenkungen empörte Seidenweber in Spitalfields drei neue mechanische Webstühle zerschlagen.
    »Ich hoffe, das Regiment muß während meiner Abwesenheit nicht ausrücken«, sagte Jay. »Wäre mein übliches Pech, wenn ich den Einsatz versäumen würde.«
    »Hör auf zu jammern!« Chip goß aus einer Karaffe Brandy in zwei bereitstehende Gläser; er war ein großer Brandyfreund. »Auf die Liebe!«sagte er.
    »Auf die Liebe!« wiederholte Jay.
    Eigentlich weiß ich nicht sehr viel über die Liebe, dachte er bei sich… Er hatte seine Unschuld vor fünf Jahren bei Arabella verloren, einem Hausmädchen seines Vaters. Damals hatte er sich eingebildet, er habe sie verführt, doch im nachhinein mußte er einsehen, daß es wohl eher andersherum gelaufen war. Nachdem er dreimal mit ihr geschlafen hatte, war sie zu ihm gekommen und hatte behauptet, schwanger zu sein. Er hatte sich bei einem Geldverleiher dreißig Pfund geborgt und sie Arabella gegeben - mit der Auflage, auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden. Inzwischen nahm er an, daß sie niemals schwanger und die ganze Affäre ein von langer Hand geplanter Schwindel gewesen war.
    Seither hatte er mit Dutzenden von Mädchen geflirtet, viele geküßt und einige mit in sein Bett genommen. Es fiel ihm leicht, den Mädchen schöne Augen zu machen. Meistens genügte es schon, Interesse an dem zu heucheln, was sie einem erzählten. Sein gutes Aussehen und seine geschliffenen Manieren waren natürlich auch hilfreich. Es kostete ihn wenig Mühe, sie um den Finger zu wickeln - doch nun erging es ihm zum erstenmal in seinem Leben selber so wie den Mädchen, die sich ihn verliebten: In Lizzies Gegenwart befiel ihn jedesmal eine gewisse Kurzatmigkeit. Er wußte, daß er sie immer anstarrte, als wäre sie die einzige Person im Zimmer. Genauso glotzen die Mädchen mich an, wenn sie einen Narren an mir gefressen haben, dachte er. Ob das Liebe ist? Wahrscheinlich schon.
    Die Aussicht auf Lizzies Kohle hatte Vaters anfänglichen Zorn besänftigt. Er ließ Lizzie und ihre Mutter im Gästehaus wohnen und bezahlte die Miete für das künftige Domizil des jungen Ehepaars in der Chapel Street. Sie hatten sich Sir George gegenüber auf keine festen Versprechungen eingela ssen, ihm aber auch nichts von Lizzies schroffer Ablehnung jeglicher Kohleförderung auf dem Gelände von High Glen erzählt. Jay hoffte schlicht und einfach, daß es am Ende schon irgendeine Lösung geben werde.
    Die Tür ging auf, und ein Bediensteter sagte: »Ein Mr. Lennox. Darf ich ihn vorlassen?«
    Jay erschrak. Er schuldete Sidney Lennox Geld Spielschulden. Unter normalen Umständen hätte er den Mann fortschicken lassen - er war nichts weiter als ein Gastwirt - , aber das war zu riskant. Lennox konnte ihm Schwierigkeiten machen. »Ja, lassen Sie ihn herein«, sagte er und fügte, an Chip gewandt, hinzu: »Tut mir leid.«
    »Ich kenne Lennox«, erwiderte sein Freund. »Ich habe auch mit ihm gespielt und Geld verloren.«
    Lennox betrat das Zimmer, und Jay bemerkte sogleich den typischen säuerlichsüßen, an Vergorenes erinnernden Geruch, der diesem Mann anhaftete. Chip begrüßte ihn. »Wie geht's, alter Schwerenöter?«
    Lennox streifte ihn mit einem kühlen Blick. »Wenn Sie gewinnen, betiteln Sie mich anders.«
    Jay musterte ihn nervös. Lennox trug einen gelben Anzug, Seidenstrümpfe und Schnallenschuhe, wirkte aber eher wie ein Schakal in Menschenkleidung. Die schicken Kleider konnten nicht verbergen, daß dieser Mann durch und durch gefährlich wirkte. Dennoch schaffte es Jay nicht, mit ihm zu brechen. Lennox war ein sehr nützlicher Bekannter. Wenn irgendwo ein Hahnenkampf stattfand oder ein Pferderennen oder wenn Gladiatoren aufeinander losgelassen wurden: Lennox wußte Bescheid. Und wenn nichts mehr ging, holte er die Karten oder die Würfel hervor und sorgte selbst für Zerstreuung.
    Lennox war auch immer gerne bereit, jungen Offizieren, die weiterspielen wollten, wenn ihnen das Geld ausging, Kredite einzuräumen - und darin lag das Problem. Jay schuldete Lennox inzwischen einhundertfünfzig Pfund.

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