Die Brücken Der Freiheit: Roman
Lizzie! So beruhigt euch doch!« Ihr Appell richtete sich auch an Sir George, wenngleich sie taktvoll genug war, ihn nicht direkt anzusprechen. »Es handelt sich gewiß um ein Versehen. Sicher haben Sir Georges Prospektoren ihren Auftrag nicht richtig verstanden. Lady Hallim, bitte bringen Sie Lizzie zurück ins Gästehaus. Wir werden uns unterdessen um eine Lösung des Problems bemühen. Ich bin sicher, daß sich ein so drastischer Entschluß wie die Absage der Hochzeit erübrigen wird.«
Chip Marlborough hüstelte. Jay hatte ihn völlig vergessen. »Wenn Sie mich bitte entschuldigen würden…«, sagte Chip und ging zur Tür.
»Bitte, verlaß das Haus nicht!« bat Jay. »Warte oben auf mich!«
»Gewiß doch«, erwiderte Chip, obwohl man seiner Miene entnehmen konnte, daß er im Augenblick jeden anderen Ort auf der Welt vorgezogen hätte.
Mit sanftem Nachdruck führte Alicia Lizzie und Lady Hallim zur Tür. »Bitte geben Sie mir ein paar Minuten Zeit! Ich komme dann zu Ihnen und sage Ihnen Bescheid. Es wird alles wieder gut.«
Lizzie wirkte beim Verlassen des Salons eher unsicher als zornig. Hoffentlich kommt sie nicht auf den Gedanken, daß ich von den Probebohrungen gewußt haben könnte, dachte Jay. Seine Mutter schloß die Tür und drehte sich um. Ich bete zum Himmel, daß ihr irgendeine Lösung einfällt und die Hochzeit gerettet wird. Ob sie schon einen Plan hat? Mutter ist so klug! Sie ist meine einzige Hoffnung…
Alicia machte seinem Vater keine Vorwürfe, sondern beschränkte sich auf den Satz: »Ohne die Hochzeit bekommst du keine Kohle.«
»High Glen ist bankrott!« erwiderte Sir George.
»Aber Lady Hallim kann die Hypotheken mit einem neuen Geldgeber verlängern.«
»Das weiß sie aber nicht.«
»Irgend jemand wird es ihr schon sagen.«
Es dauerte eine Weile, bis die Drohung Wirkung zeigte. Jay fürchtete einen Wutausbruch seines Vaters. Aber Mutter wußte ziemlich gut, wie weit sie gehen konnte. Nach einer Weile fügte er sich und sagte resigniert: »Was willst du, Alicia?«
Jay atmete erleichtert auf.
»Zuerst muß Jay mit Lizzie sprechen und sie davon überzeugen, daß er von den Prospektoren und ihrem Treiben keine Ahnung hatte.«
»Stimmt ja auch!« rief Jay dazwischen.
»Halt's Maul und hör zu!« wies ihn sein Vater barsch zurecht.
»Wenn ihm das gelingt«, fuhr Alicia fort, »kann die Hochzeit wie geplant stattfinden.«
»Und dann?«
»Danach hältst du dich zurück. Mit der Zeit wird es Jay gelingen, Lizzie umzustimmen. Sie will momentan nichts von der Kohleförderung auf High Glen wissen, doch sie wird ihre Meinung ändern oder zumindest nicht mehr so radikal dagegen sein - vor allem nicht, wenn sie erst einmal ein Kind hat und ein eigenes Heim. Dann wird sie auch den Wert des Geldes schätzenlernen.«
Sir George schüttelte den Kopf. »Das reicht mir nicht, Alicia«, sagte er. »Ich kann nicht so lange warten.«
»Warum denn nicht?«
Sir George antwortete nicht sofort und sah Robert an. Der zuckte mit den Schultern. »Warum soll ich es dir vorenthalten?« sagte er schließlich. »Ich habe selber Schulden. Du weißt ja, daß wir immer mit geborgtem Geld gearbeitet haben. Unser Hauptgläubiger ist Lord Arebury. In der Vergangenheit haben wir damit gutes Geld verdient, wovon natürlich auch er profitiert hat. Aber seit Beginn der Unruhen in den Kolonien haben wir empfindliche Einbußen im Amerikahandel hinnehmen müssen. Und da, wo wir noch im Geschäft sind, ist es fast unmöglich, die Rechnungen einzutreiben. Unser größter Schuld ner ist bankrott und hat uns eine unverkäufliche Tabakpflanzung in Virginia hinterlassen.«
Für Jay war dieses Eingeständnis unerhört. Daß die väterlichen Unternehmungen mit großen Risiken behaftet waren und sich die Zeit des unbegrenzten Wohlstands möglicherweise dem Ende zuneigte, hatte er nie geahnt. Allmählich dämmerte ihm, warum sein Vater sich wegen der Spielschulden so aufgeregt hatte.
»Das, was unser Geschäft über Wasser hält, ist die Kohle«, fuhr Sir George fort. »Aber wir haben nicht genug davon. Lord Arebury will sein Geld zurück. Wenn ich das Gut der Hallims nicht bekomme, steht meine gesamte berufliche Existenz auf dem Spiel.«
Nach dieser Eröffnung herrschte bestürztes Schweigen. Jay und seine Mutter waren so entsetzt, daß sie kein Wort über die Lippen brachten.
Erst nach einer längeren Pause fand Alicia ihre Sprache wieder. »Dann gibt es in der Tat nur eine Lösung«, sagte sie. »Auf High Glen
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