Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Titel: Die Brückenbauer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
Vom Netzwerk:
mondbeschienene Savanne hinwegzufliegen, über fliehende, laut trompetende Elefanten hinweg, über eine Herde Zebras, die in alle Richtungen auseinanderstob, an den Köpfen von Giraffen vorbei, die sich mit langsam wiegendem Schritt in Bewegung setzten, über brüllende Büffelherden hinweg, die in einer Staubwolke davonrasten, über einzelne Kudubullen mit hoch erhobenen Häuptern hinweg, die nicht flohen, weil sie glaubten, unsichtbar zu sein, über eine Gruppe Löwen hinweg, die erstaunt aufschauten und ihre Aufmerksamkeit von dem gefällten Büffelkalb
abwandten, worauf sich ein paar Hyänen über ihre Beute hermachten. Und dann flog er in die Hütte zurück, und seine Hände liebkosten die Wirklichkeit, die himmlisch duftenden Frauen. Es war ein Traum, der von Neuem begann und nie enden zu wollen schien.
    Als er im ersten Licht der Morgendämmerung erwachte, wusste er nicht, wo er sich befand. Er stellte fest, dass er nackt dalag, mit einer gazellenschlanken Frau an seiner Seite. Er hielt sie mit beiden Armen umfangen, und sie schlief wie ein Kind. Vorsichtig löste er sich von ihr, stützte sich auf den Ellbogen und betrachtete sie.
    Er versuchte sich zu erinnern oder zumindest einzelne Erinnerungsfragmente zusammenzufügen. Zum ersten Mal, seit Maria Theresia ihn betrogen und verlassen hatte, hatte er besinnungslosen Sex mit einer Frau gehabt und war somit in einen Bereich des Lebens zurückgekehrt, von dem er geglaubt hatte, er sei ihm für immer verschlossen.
    Ihr Gesicht glich dem einer klassischen Skulptur, eine Nofretete, aber mit schöneren und volleren Lippen. Er beugte sich vor, küsste sie, eher zurückhaltend als leidenschaftlich, als wolle er sich bedanken. Sie schlug die Augen auf und lächelte mit funkelnden weißen Zähnen, dann rekelte sie sich wollüstig wie eine Katze und erwiderte rasch und fast wie im Scherz seinen Kuss.
    »Verstehst du mich, wenn ich Swahili spreche?«, flüsterte er.
    »Fast alle hier sprechen Swahili«, antwortete sie leise. »Und Arabisch.«
    »Und wie heißt du?«
    »Aisha Nakondi. Und wie heißt du?«
    »Oscar.«
    Sie kicherte, und er fragte, warum.
    »In unserer Sprache bedeutet das großer Schwanz.«
    »In unserer Sprache bedeutet es Gottes Speer, was ja fast dasselbe ist.«
    Beide lachten. Er war jedoch zu verlegen, um die Unterhaltung fortzusetzen. Tausende von Fragen schwirrten wie Moskitos in seinem Kopf herum, da er nicht recht fassen konnte, was er erlebt hatte, und auch nicht, wieso er mit dieser sagenhaft schönen Frau in den Armen daliegen konnte, ohne von hundert Speeren getötet zu werden. Auch sie stellte keine Fragen und musterte ihn nur schweigend. Sie zögerten eine Weile und sahen einander an, beide gleichermaßen erstaunt über die Augenfarbe des anderen, seine hellblau, ihre schwarz. Plötzlich drehte sie sich zu ihm um und fasste um sein Geschlecht, und sein Begehren flammte auf wie während des Rausches am Vortag. Er beugte sich vor und küsste sie leidenschaftlich und hungrig. Und dachte, dass der Traum zumindest in einer Hinsicht wahr gewesen war. Sie küsste genauso wie er.

    Bei allem, was er tat, sah er ihr Gesicht vor sich. Nicht ständig, es kam und verschwand ohne Vorwarnung und ohne besondere Veranlassung. Beispielsweise, als er bei seinem höchsten Vorgesetzten Dorffnagel mit den neuen Plänen vorsprach, die dieser dann verwarf.
    Das traf ihn nicht persönlich, da die Einwände der Direktion nicht technischer, sondern finanzieller Natur waren: Verspätungen, die bereits geplante Einweihung, das Budget, die Kosten.
    Als der Vorsitzende des Aufsichtsrats, Generalgouverneur Schnee, über die geplante Einweihung sprach und betonte, wie wichtig es sei, dass diese nicht in die Regenzeit fiele, da die Uniformen der Honoratioren wenig regentauglich seien, ganz zu schweigen von der festlichen Garderobe ihrer Gattinnen, sah Oscar Aisha Nakondis Lächeln vor sich, ihre vollen Lippen, ihre weißen Zähne.
    Direktor Franken von der Buchhaltung sprach ein zweites Mal und jetzt eingehender über die finanziellen Dinge. Oscar sah vor sich, wie sie den Kopf in den Nacken legte und ihre unzähligen Zöpfe schüttelte. Dann brachte er selbst einen Kompromissvorschlag vor und wunderte sich, dass er deutlich und klar sprechen und anhand der Pläne und Landkarten Dinge erklären konnte, während er ihr Gesicht vor sich sah.
    Den Buchhaltern widersprach er für gewöhnlich nie, da er es für sinnlos hielt. Jetzt erklärte er jedoch kurz angebunden, damit habe

Weitere Kostenlose Bücher