Die Brückenbauer: Roman (German Edition)
er gesagt, was zu sagen sei. Die Direktion kam seinen Forderungen teilweise entgegen und beschloss, eine deutlich größere Lieferung Korallenkalkstein für die Bahndämme anzufordern. Er verbeugte sich und ging, ohne ein Gefühl der Enttäuschung oder des Triumphs zu empfinden. Man hielt ihn für ein Genie, was Brücken betraf, das war ihm mittlerweile klar. Er hatte lange geglaubt, die erlegten Löwen und die nicht geringen Nebeneinnahmen der Eisenbahngesellschaft durch den Mahagonihandel hätten ihm trotz seines geringen Alters eine gewisse allgemeine Achtung eingebracht. Aber da man ihm bereits nach zwei Jahren die Hauptverantwortung für alle Streckenabschnitte mit Brückenbauten übertragen hatte, hatten also seine Fähigkeiten als Ingenieur seine Stellung
in der Gesellschaft gestärkt und nicht die Löwenjagd oder seine Fähigkeiten, der Eisenbahngesellschaft Nebeneinnahmen zu verschaffen.
Als er die Besprechung verließ, dachte er ironisch, dass er vermutlich nur mithilfe solch eitler Überlegungen Aisha Nakondi für länger als eine Minute aus seinen Gedanken verbannen konnte.
Kein Stück anders war es ihm in der letzten harten Woche ergangen, die er damit zugebracht hatte, mit Kadimba zu jagen und Mahagoni zu beschaffen. Die Brückenpfeiler waren fertiggestellt, und der Bau der beiden Holzbögen war eine so einfache Aufgabe, dass er die Oberaufsicht getrost seinem Vertreter, einem Ingenieur namens Hans Zimmermann, dem Bauzeichner-Hans, überlassen konnte, während er sich selbst scheinbar unqualifizierten Arbeiten widmete, wie dem Fällen von Bäumen an der Bahnstrecke und dem Zusammentragen von Brennholz, das im Abstand von einem Kilometer zwei Meter hoch und gut sichtbar in Einmeterlängen gesägt aufgestapelt wurde. Dass er bei den Holzarbeiten an sie dachte, war nachvollziehbar. Aber er konnte auch an nichts anderes denken, wenn er mit Kadimba mit dem Gewehr über der Schulter in den Wald ging oder nach Dr. Ernsts Bäumen suchte, deren Rinde das malariatötende Alkaloid enthielt, oder wenn er ein Mahagonigewächs fällen ließ, das weiter als die erlaubten fünfzig Meter von der Strecke entfernt stand. Was auch immer er unternahm oder dachte, sie war stets bei ihm. Die Arbeit mit den Bäumen erinnerte an die Jagd. Sein Puls beschleunigte sich, wenn er die typischen beflügelten Kapseln der Mahagonisamen auf der Erde entdeckte oder eben die Bäume für die Malariamedizin. Das war fast so, als würde
man einen Leoparden beobachten, der aus unerfindlichen Gründen am helllichten Tage unterwegs war und die Nähe der menschlichen Jäger nicht bemerkte, was allerdings nicht sonderlich oft vorkam.
Nicht einmal als er bei der Jagd einen im Gebüsch verborgenen Leoparden mit einem einzigen gezielten Schuss in den Bauch tötete, war das Jagdfieber stärker als das Bild von ihr.
Kadimba und er zogen dem Leoparden schweigend und routiniert das Fell ab, vorsichtig, damit der Balg nicht beschädigt wurde.
»Kadimba, mein Freund«, sagte Oscar und betonte dabei wie immer das letzte Wort. »Du hast mir einiges über die Barundi verschwiegen. Unter anderem, warum Hassan Heinrich und dir so viel daran gelegen war, mich zu begleiten.«
»Bei uns sagt man, dass man eine gute Überraschung nicht durch zu viel Wissen verderben soll«, antwortete Kadimba, blickte auf und lächelte vielsagend.
»Dann wusstest du also, dass sie Männer dazu bringen, Frauen zu …?«
Er suchte nach dem passenden Wort, lieben war falsch, ficken auch. Beherrschen, besitzen, reiten, flachlegen, Umgang pflegen, enge Freundschaft pflegen? Sein Swahili-Wortschatz war inzwischen recht groß, wie er feststellte. Trotzdem konnte er seine Frage nicht formulieren. Aber Kadimba schien seine Verlegenheit nicht zu bemerken oder zu verstehen.
»Die Barundi besitzen magische Tränke und Kräuter, die einen Mann so groß machen können«, meinte er lachend und führte es mit den Händen vor. »Das weiß außer den
Mzungi jeder. Ich war mir sicher, dass es für Bwana Oscar eine freudige Überraschung werden würde.«
»Warum gibt es bei den Barundi diese Sitte?«
»Warum? Es gibt kein Warum. Menschen sind, wie sie sind. Die Massai können uns eine ähnliche Freude bereiten wie die Barundi. Bei den Kinandi wären wir eines furchtbaren Todes gestorben, wenn wir ihre Frauen nur zu lange angesehen hätten. Niemand weiß, warum das so ist. Vielleicht, weil wir verschiedene Götter haben.«
»Und wie ist es bei dir zu Hause, Kadimba?«
»Eher wie bei den
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