Die Brückenbauer: Roman (German Edition)
als Ägypten.«
»Sie meinen Europa, Sie meinen Deutschland«, unterbrach ihn die Königin. »Ich war noch nie in Deutschland, aber ich freue mich, erstmals einen deutschen Gast bei mir begrüßen zu dürfen.«
Mehr sagte sie nicht. Darüber, was sie von der Eisenbahn hielt, hatte sie kein Wort verloren.
»Wir werden in der Nähe eine Station bauen, damit Sie und Ihr Volk zu dem großen See, bis ans Meer oder an jeden anderen Ort auf der Strecke reisen können«, fuhr Oscar fort. Die Königin zeigte nach wie vor weder Freude noch Dankbarkeit. Er sann verzweifelt darüber nach, wie er fortfahren sollte, aber es fiel ihm nichts ein, was er noch sagen konnte. Stattdessen deutete er auf die Kisten mit den Glasperlen, die man neben den großen arabischen Sitzkissen abgestellt hatte.
»Hier ist unsere Gabe, Königin Mukawanga, als Dank dafür, dass wir unsere Eisenbahn durch Ihr Land bauen dürfen!«
Er gab Hassan Heinrich ein Zeichen, die großen Kisten zuerst und danach die kleinere mit den blauen Glasperlen zu öffnen.
Ein Raunen des Entzückens ging durch die Versammlung,
als Hassan Heinrich die Kisten öffnete, insbesondere beim Anblick der blauen Perlen. Als wären sie aus Gold und Silber, dachte Oscar. Königin Mukawanga jedoch schien nicht sonderlich beeindruckt zu sein.
»Keine schlechte Gabe, Bwana Deutsch«, sagte die Königin, nachdem es wieder still geworden war. »Aber die Mzungi geben manchmal, und manchmal nehmen sie. Sie geben uns die Eisenbahn, aber nehmen uns den Sklavenhandel, der uns die besten Einnahmen sichert. Ich habe daher eine Forderung.«
»Ich bin bereit, Ihre Forderung anzuhören, Königin Mukawanga«, antwortete Oscar so beherrscht wie möglich. Er hatte seine Befugnisse voll ausgeschöpft und konnte darüber hinaus eigentlich keine Zugeständnisse machen.
»Meine Forderung ist folgende«, fuhr Königin Mukawanga fort und hielt einen Moment inne, bis es vollkommen still geworden war.
»Sie bringen jedes Jahr um diese Zeit zum Ende des Regens«, fuhr sie fort und machte erneut eine Pause, »eine ebensolche Gabe wie diese. Dann sind wir uns einig, Ihre Bahnlinie darf mein Land durchqueren, und ich erhalte Ihren Schmuck.«
Oscar überlegte kurz. Formell lag ein solches Versprechen außerhalb seiner Befugnisse. Einerseits. Andererseits waren die Glasperlen, die vor der Königin ausgebreitet lagen, höchstens hundert bis hundertfünfzig Reichsmark wert. Für eine Konzession für die siebzig Kilometer lange Eisenbahnstrecke durch das Land der Königin Mukawanga war das wenig. Außerdem handelte es sich um einen Friedensvertrag, das lag in der Natur der Sache. Schlimmstenfalls, falls man ihn für nicht genehmigte Ausgaben verantwortlich
machte, würde er die Perlen aus eigener Tasche bezahlen.
»Sie haben mein Wort, Königin Mukawanga, dass Ihre Wünsche erhört werden«, erwiderte er feierlich.
»Ihr Wort reicht nicht, Bwana Deutsch«, antwortete die Königin rasch und hart. »Wir müssen einen Vertrag aufsetzen, jetzt unverzüglich. Erst anschließend beginnt das Fest!«
Oscar nickte überrumpelt. Sofort wurden Papier und Schreibzeug gebracht. Hassan Heinrich schrieb den Text auf Swahili nach Oscars Diktat:
Vertrag betreffend den Eisenbahnverkehr
§ 1: Dieser Vertrag wird zwischen dem Vertreter der Eisenbahngesellschaft, dem Ersten Ingenieur Oscar Lauritzen, und der Vertreterin des Volkes der Barundi, Königin Mukawanga, geschlossen.
§ 2: Der Vertrag betrifft das Recht auf unbehinderten Zugverkehr auf der Eisenbahnstrecke, die sich durch das Land der Barundi erstreckt.
§ 3: Das Volk der Barundi und Königin Mukawanga verpflichten sich, den Eisenbahnverkehr nicht zu behindern oder zu stören.
§ 4: Die Eisenbahngesellschaft verpflichtet sich, als Gegenleistung für diese Konzession jährlich nach Ende des langen Regens das Volk der Barundi und Königin Mukawanga mit 500 weißen, 500 roten, 500 grünen und 50 blauen Glasperlen zu entschädigen.
Hauptstadt der Barundi, den 3. Mai 1905
Königin Mukawanga
Erster Ingenieur Oscar Lauritzen
Es fiel Oscar nicht schwer, den Vertrag zu diktieren. In seinen drei Jahren als Inhaber einer Handelsgesellschaft in Dar hatte er das eine oder andere gelernt.
Als er der Königin den Vertrag vorlas, hörte sie aufmerksam zu und nickte vor sich hin, als sei sie mit allem einverstanden. Bei einem Blick durch den Saal stellte sie fest, dass sich unter den Kriegern eine gewisse Unruhe breitmachte.
Oscar fertigte rasch zwei Exemplare in
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