Die Brückenbauer: Roman (German Edition)
Zollstation recht spät am Tag erreicht, und die Verhandlungen zogen sich in die Länge. Es erschien also ratsam, zu übernachten und erst am nächsten Morgen weiterzumarschieren. Hans Christian lud einen der belgischen Zöllner in sein Zelt ein und begann ausführlich von seinem Handelsprojekt zu berichten. Gleichzeitig goss er immer wieder von dem Whisky nach, den sie im
Gepäck mitführten und der im Grenzland zwischen dem Kongo und Uganda eine Rarität darstellte. Nach einigen Gläsern, zu denen man die Grenzbeamten nicht lange überreden musste, bekannte Hans Christian beschämt, dass er vor Elefanten eine wahnsinnige Angst habe. Nun habe er gehört, dass es in König Leopolds ehemaligem Privatpark, den man unglücklicherweise durchqueren müsse, beunruhigend viele Elefanten gebe. Wenn der Herr Zöllner jedoch so freundlich wäre, ihm zu erzählen, wo sich diese Bestien aufhielten, könnte er ihnen vielleicht auf seiner Reise in den Norden ausweichen.
Er erhielt eine detaillierte Karte, auf der jede größere Elefantenherde genau eingezeichnet war. Sie machten einen Gewinn von über dreißigtausend Pfund, obwohl sie den habgierigen Engländern bei der Einreise nach Uganda alles verzollt hatten.
Mit etwas Glück würde es dieses Mal noch besser laufen. Im Vorjahr waren sie zu spät aufgebrochen, waren am Ende der Safari in die Regenzeit geraten und hatten nicht viel ausrichten können. Jetzt lagen vier trockene Monate vor ihnen. Es würde heiß werden. Aber Hitze ließ sich leichter ertragen als Kälte, das war zumindest Oscars Erfahrung. Und es würde sich sicher lohnen.
Die Führer gingen voraus, gefolgt von Oscar, Kadimba und Hans Christian, die nur Waffen trugen. Danach kamen die Träger, die auf dem Weg zur Jagd kaum Lasten trugen. Auf dem Heimweg würde ihre Last um ein Vielfaches schwerer sein.
Die ersten Marschtage fand Oscar immer am schwersten. Aber nach einiger Zeit hatte man sich wieder daran gewöhnt, und niemand war so dumm, Stiefel zu verwenden,
die nicht eingelaufen waren (außer Hans Christian bei seiner ersten Reise), denn dann musste man sich von vier Männern, die sich jede halbe Stunde abwechselten, tragen lassen. Das hielt auf und war schmachvoll.
Dieses Mal hatten sie die Route geändert und befanden sich in einer Gegend, in der Wolken von Tsetsefliegen angriffen, die einem beinahe die Sicht raubten. Wie die kongolesischen Träger mit ihren nackten Körpern das ertragen konnten, war Oscar schleierhaft, er hatte alle Hände voll zu tun, allein nur sein Gesicht zu schützen. Die teuflischen kleinen Insekten glichen den norwegischen Pferdefliegen, aber ihr Biss war doppelt so schmerzhaft. Schlug man nach den norwegischen Verwandten, fielen diese brav zu Boden und starben. Doch einige Millionen Jahre natürlicher Selektion durch peitschende afrikanische Tierschwänze hatten die Tsetsefliegen in eine unverwüstliche Sippe verwandelt. Es zeigte keinerlei Wirkung, wenn man nach ihnen schlug, sie griffen einfach immer wieder an. Man musste sich anpirschen, sie mit bedächtiger Bewegung zwischen die Finger nehmen und einige Male hin und her reiben. Das erforderte viel Übung und Disziplin, denn der plötzliche Schmerz verleitete zu reflexmäßigen, schnellen Bewegungen.
Oscar hatte das im Verlauf der Jahre gelernt. Aber er rieb sich die Tsetsefliegen mehr als Zeitvertreib von den Wangen. Manchmal zählte er die getöteten Plagegeister. Sein Rekord lag bei mehr als vierhundert an einem Tag, was vielleicht einem Zehntel der Angreifer entsprach.
Am ersten Abend schlugen sie ihr Lager an einem kleinen Nebenfluss des Nil auf, der noch Wasser führte. Die Afrikaner tranken aus dem Fluss, als seien sie Zebras. Für
die beiden Weißen wurde das Wasser abgekocht. Zehn Stunden am Tag mit einer üblen afrikanischen Diarrhö zu Fuß zu gehen war nicht erstrebenswert.
In dieser Gegend schien es keine Malaria zu geben, zumindest gab es keine Moskitos, wie Oscar feststellte, nachdem man das große Viermannzelt, in dem er als Leiter der Safari mit Kadimba und Hans Christian wohnen würde, aufgestellt hatte.
Sie waren in Streit geraten, weil Hans Christian sein Zelt nicht mit einem Neger teilen wollte. Oscar hatte sich sehr beherrschen müssen und kurz und nachdrücklich gesagt, Kadimba sei kein »Neger«, sondern Jäger und stellvertretender Chef der Safari. Anschließend war darüber kein Wort mehr verloren worden.
Hassan Heinrich hätte eigentlich auch in diesem Zelt wohnen sollen, aber er war für das
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