Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Titel: Die Brückenbauer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
Vom Netzwerk:
verstümmelten Bewerber abgewiesen. Dann hatte Oscar ihn angewiesen, auch einhändige Träger anzustellen, wenn sie im Übrigen kräftig und gesund wirkten. Sie trugen ihre Lasten ohnehin auf dem Kopf, und dafür genügte ein guter Gleichgewichtssinn und eine Hand, um die Traglast ab und zu zurechtzurücken. Davon abgesehen sei es die Aufgabe aller weißen Männer in Afrika, die schwere Schuld, die die verdammten Belgier auf sich geladen hatten, abzugelten.
    Es war eine belgische Spezialität, den versklavten Kongolesen die Hände abzuhacken, wenn sie den Soldaten nicht einmal im Monat die gewünschte Menge des immer wertvolleren Rohstoffes aushändigen konnten.
    Im Jahr 1902 war der Gummipreis in Europa stark gestiegen. Diese unerwartete Entwicklung war auf die neuen Automobile zurückzuführen. Da der Kongo Privatbesitz König Leopolds war, häufte dieser auf einfache und überaus brutale Weise rasch ein riesiges Vermögen an. Der Gummibaum wuchs in den Wäldern des Kongo wild. Jedes Dorf musste jeden Monat so viel Kautschuk liefern, dass fast alle Männer unentwegt damit beschäftigt waren, im Wald nach vorzugsweise großen Bäumen zu suchen, ihnen den Pflanzensaft abzuzapfen, ihn zu Bällen zu kneten und diese in Körben zu sammeln. Wenn die Soldaten kamen und mit der Lieferung nicht zufrieden waren, und das waren sie grundsätzlich nicht, schnitten sie den Leuten die Ohren ab. Bestenfalls. Sonst Hände und Füße und schlimmstenfalls den Kopf. Die abgehauenen Körperteile nagelten sie zur Warnung mitten im Dorf an Bäume oder
Hauswände. Die Dorfbewohner durften sie nicht entfernen, gleichgültig, wie übel sie stanken.
    Es gab drei Gründe für die Anwesenheit der Europäer in Afrika: Christentum, Kultur und Kommerz. Damit sollte Afrika aus der Armut, dem Aberglauben, den Stammeskriegen, den Krankheiten und anderem Elend geführt und auf das Niveau der weißen Welt gehoben werden. So war es gedacht, und diese Auffassung teilte auch Oscar, insbesondere wenn man auch noch den Faktor Kommunikation hinzufügte. Und mit Kultur die Vermittlung moderner Technik meinte.
    Hätten die Kongolesen den Kautschuk in ihrem eigenen Tempo geerntet und wären sie dafür bezahlt worden, hätte Oscar keine Einwände gehabt. Aber statt entlohnt zu werden, wurden sie verstümmelt und ermordet und mussten zusehen, wie ein Dorf nach dem anderen entvölkert wurde.
    Viele Dörfer im östlichen Kongo hatten von der Elefantenjagd gelebt. Man hatte die Tiere mit Giftpfeilen gejagt, hatte sich angeschlichen und die Pfeile auf die weichere Bauchhaut der Elefanten abgeschossen, die Tiere verfolgt, bis sie starben, und sowohl ihr Fleisch als auch ihre Stoßzähne verwertet. Die Belgier hatten alle Elefantenjäger, derer sie habhaft wurden, ermordet, da sie sich nicht bei der Kautschukernte nützlich machten.
    Die wenigen Elefantenjäger, die die Belgier überlebt hatten, waren besonders gefragt. Sie wurden als Spurensucher in den Basislagern eingesetzt. Und bei hundertfünfzig zu stopfenden Mündern war es wichtig, dass jemand Elefantenfleisch zubereiten konnte. Die Kongolesen aßen es mit Begeisterung. Oscar mochte es nicht besonders, es schmeckte fade und ein wenig nach Heu. Aber Kadimba und ihm
würde es auf dieser zweiten, größeren Safari sicherlich nicht schwerfallen, anderes Fleisch zu beschaffen.
    Beim belgischen Zoll am Eduardsee vollzog sich das gleiche Katz-und-Maus-Spiel wie beim vorherigen Mal. Sie wiesen sich als Handelssafari auf dem Weg in den Nordosten des Landes, der an den Sudan grenzte, aus. Zufällig war es auch König Leopolds privater Park, der jetzt nach seinem Tod keinen Eigentümer mehr hatte. Den belgischen Zollbeamten war natürlich klar, worauf es die weißen Abenteurer von nah und fern abgesehen hatten – auf das Elfenbein. Im Jahr 1909 erlebte Afrika seinen letzten großen Elfenbeinboom.
    Aber eine gewisse Ordnung herrschte sogar bei den Belgiern. Handel war in Afrika nicht nur erlaubt, er galt darüber hinaus als eine der offiziellen Segnungen, die der weiße Mann dem Kontinent gebracht hatte. Die Pässe der Reisenden wurden also gestempelt, und es wurde salutiert. Die Zöllner zählten darauf, die Elfenbeindiebe auf dem Heimweg zu schnappen, wenn sie auf dem Weg nach Uganda den Nil überquerten.
    Im Jahr zuvor war Hans Christian ein ganz phänomenaler Betrug geglückt. Das war auch der einzige Grund, warum er an dieser Reise teilnahm, denn er war kein sonderlich guter Elefantenjäger.
    Sie hatten die

Weitere Kostenlose Bücher