Die Brückenbauer: Roman (German Edition)
hatte, was von ihm verlangt wurde, war er anfangs empört gewesen. Er sollte genauso viel zerstören, wie er aufgebaut hatte. Die Vernunft versuchte, sich seiner Empörung zu widersetzen. Schließlich handelte es sich um englische Brücken und Bahnverbindungen.
Es war schlimm genug, dass ihm die Aufgabe anfänglich unmoralisch vorgekommen war. Dass der Befehlshaber der Truppe Werner Schönfeldt und seine zwei wichtigsten Leute, Fritz Neumann und Günther Ernbach, seine Fähigkeiten offen anzweifelten, als er sich in ihrem Lager einfand, machte die Sache nicht besser. Sie hielten sich für eine kleine, extrem harte Elitetruppe, in der einander alle, Schwarze wie Weiße, blind vertrauen können mussten. Eine Eisenbahnbrücke zu sprengen war eine Sache, lebend und zu Fuß zu entkommen etwas ganz anderes. Solche Verbände waren nichts für Zivilisten und Snobs von der Universität.
Das wollte man Oscar anhand einer Reihe abschreckender Informationen klarmachen. Beispielsweise, dass bei Einsätzen alle gleich viel Gepäck tragen müssten, ganz gleichgültig, ob es sich um einen Träger oder einen Leutnant der Pioniere handele, ob man weiß oder schwarz sei.
Oscar hatte gegen die implizite Unterstellung, dass er zu nichts tauge, nichts vorzubringen. Er fand es sinnlos, sich mit potenziellen Fähigkeiten, wie beispielsweise seiner Ausdauer bei der Verfolgung eines verletzten Elefanten, zu brüsten. Er hatte auch keine Lust, sich dafür zu entschuldigen, dass er so »vornehm« sprach, was insbesondere Günther Ernbach zu provozieren schien, der im Ruhrgebiet im Stahlwerk gearbeitet hatte und nicht damit hinterm Berg hielt, dass er hochnäsige Ingenieure und Direktoren hasste.
Ob er tauglich war oder nicht, musste sich in der Praxis zeigen. Mit Worten ließ sich hier jedenfalls nichts erreichen.
Nicht ganz unerwartet versuchten sie ihn kleinzukriegen, als sie sich, vier Weiße und acht schwarze Träger, zwei Tage später auf den Weg zum nächsten Angriff machten. Jeder trug fünfundzwanzig Kilo, die Afrikaner auf dem Kopf, die Europäer in großen Armeerucksäcken. Man brach kurz vor der Morgendämmerung auf, und zwar von Taveta aus in Richtung Norden, um irgendwo zwischen Tsavo und Kibwezi auf die englische Bahnlinie zu stoßen. Die ausgetrocknete Landschaft war überwiegend mit dichtem Gebüsch bewachsen. Es gab ärgerlich viele Tsetsefliegen, die in schwarzen Wolken angriffen. Am Himmel war hingegen kein einziges Wölkchen zu sehen. Im Laufe des Tages würde es sicher über vierzig Grad warm werden.
Gegen zehn, nach vierstündigem Marsch und nur einer
kurzen Pause, hätte Oscar es für angezeigt gehalten, sich in den Schatten zu begeben, um einige Stunden zu schlafen und etwas zu essen. Ihr Ziel lag ohnehin drei Tagesmärsche nördlich, tief im britischen Territorium. Werner Schönfeldt, der mit Karte und Kompass vorausging, schien jedoch keine Pause einlegen zu wollen. So gingen sie in der zunehmenden Mittagshitze unverdrossen weiter. Anfangs nahm Oscar an, es habe geografische Gründe, dass die kleine Expedition erst einmal die dichten Büsche hinter sich bringen wollte, um am Rand der sich anschließenden Steppe ein Lager aufzuschlagen und später im Schutz der Dunkelheit über die offene Ebene zu marschieren.
Aber die Landschaft veränderte sich nicht, und mit zunehmender Hitze wurden auch die Angriffe der Tsetsefliegen aggressiver. Langsam ging Oscar auf, dass sich diese uneffektive Kräfteverschwendung gegen ihn richtete, den unerwünschten Ingenieur, der auf höchsten Befehl in die verschworene Kameradschaft eingedrungen war. Ihm begannen die Träger leidzutun, es war in jedem Fall einfacher, eine Last in einem Rucksack zu tragen und die Hände frei zu haben, als sie auf dem Kopf balancieren zu müssen.
Der erste Träger fiel um ein Uhr nachmittags um, die heißeste Stunde des Tages, in der sich kein afrikanisches Lebewesen, weder Mensch noch Elefant, bewegte. Fritz Neumann schien ebenfalls dem Zusammenbruch nahe zu sein, als er auf den einzigen Baum in Sichtweite, einen Leberwurstbaum, zuwankte. Als er den Rucksack absetzte, fiel er um. Unwirsch erklärte er, er sei über eine Wurzel gestolpert.
Die Wasserrationen wurden ausgeteilt. Die deutschen
Kameraden mussten sich zurückhalten, beim Trinken nicht zu gierig zu wirken. Sie breiteten Zeltplanen aus, um darauf zu liegen, und bedienten sich von den Konserven. Feuer machen kam nicht infrage, weil man sie sonst entdeckt hätte, auf Kaffee mussten sie also
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