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Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Titel: Die Brückenbauer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Feldlazarett, aber auch eine halbe Tonne Chutney. Das wies darauf hin, dass die Engländer vorgehabt hatten, zu bleiben. Trotzdem war es einigermaßen erstaunlich, dass die eingelegte Mango mit das Erste gewesen war, was sie an Land gebracht hatten.
    Aus den wohlgefüllten Kellern des Kaiserhofs wurde sämtliches Bier an die deutschen Askari-Soldaten ausgegeben, die die ganze Nacht ums Feuer tanzten und Lieder über indische Soldaten sangen, die sie mit Ziegen verglichen.
    Nachdem die englischen Unterhändler die Kapitulation unterzeichnet hatten, konnte man beginnen, sich über die praktischen Fragen zu einigen. Die Engländer sollten tausend verwundete, aber dennoch transportfähige Soldaten zurückerhalten. Die neunundvierzig Verwundeten, die man nicht für transportfähig hielt, sollten von den Deutschen im nächsten Feldlazarett versorgt werden. Man hatte sich gleichzeitig, vielleicht etwas zu großzügig, erboten, die etwa tausend Gefallenen der Expeditionstruppe zu begraben, die am Stadtrand von Tanga und am Ufer verstreut lagen.
    Anschließend nahm ein »Kapitulationsdiner« im Kaiserhof seinen Anfang, bei dem die englischen Offiziere ihrer Wertschätzung für deutsches Bier Ausdruck gaben. Im Übrigen waren sie guter Dinge und diskutierten die Schlacht mit derselben Unbekümmertheit, als handele es sich um ein beliebiges Kricketmatch.
    Oscar nahm zwar an dem Diner teil, aber wegen seines niedrigen Ranges saß er weit unten an der Tafel und hörte nichts von der Unterhaltung zwischen von Lettow-Vorbeck, Hauptmann Baumstark, Major Tom of Prince und den elegant gekleideten englischen Marineoffizieren. Oscar konnte nur ihre Gesten und ihre Mienen sehen. Offenbar hielten die englischen Gentlemen zweitausend gefallene Inder für vernachlässigbar, da das Leben eines Inders ohnehin nichts wert war. Allmählich begann Oscar, die oft gehörten
Geschichten über die Grausamkeit der Engländer beim Bau der Eisenbahn zwischen Mombasa und Nairobi zu glauben. Sie hatten unzählige indische Kulis nach Mombasa verschifft, ohne Medikamente gegen Malaria oder andere Krankheiten, da diese nur für Gentlemen waren. Folglich starben bei dem Bau dieser Eisenbahn Zehntausende Inder. Das bekümmerte die Engländer aber nicht im Mindesten, sie verschifften dann einfach weitere Sklavenladungen nach Mombasa.
    Diese Geschichten waren also wahr, das sah er nach der Schlacht bei Tanga ein. Sie hatten sich so unwahrscheinlich, so unsinnig, auch so unwirtschaftlich angehört, dass er sie immer für vorurteilshafte Verleumdungen gehalten hatte. Aber alles war wahr, sie hatten es dieses Mal wieder getan.
    Die Engländer würden vermutlich immer neue Frachter mit Kanonenfutter füllen und nach Afrika verschiffen, schlimmstenfalls, bis sie siegten und alle weißen Obersten und Generäle mit Orden behängen konnten. Sie waren wahrhaftig eine unmenschliche Brut. Vielleicht hatte Christian Beyers trotz allem recht, wenn er behauptete, die Engländer seien der Abschaum der Erde.
    Die Massengräber auszuheben fiel leider der Pioniertruppe zu. Außer Oscar befand sich jedoch kein Pionieroffizier in Tanga. Am Tag nach dem Fest musste er daher acht Züge Totengräber aus äußerst unwilligen und sehr verkaterten Askari-Soldaten zusammenstellen, eine scheinbar unmögliche Aufgabe. Als Arbeitsleiter beim Eisenbahnbau hatte er nie Schwierigkeiten mit dem Gehorsam gehabt, nicht einmal während der schlimmsten Löwenpanik. Aber in diesem Fall war es anders.
    Totengräber war eine der niedrigsten Arbeiten, die man
normalerweise Leuten überließ, die nicht als Soldaten taugten. Es schien unmöglich zu sein, die Askaris dazu zu bewegen, mit der Arbeit zu beginnen. Oscar dachte scharf nach. Er sah ein, dass er mit Drohungen nichts erreichen würde. Nicht einmal wenn er, rein theoretisch, einen der Männer wegen Befehlsverweigerung erschießen ließ.
    Gefallene Feinde würdig zu begraben war Ehrensache. Davon zumindest ging Oscar aus, obwohl ihm die Vorschriften für das deutsche Militär gänzlich unbekannt waren. Das bedeutete, dass jeder Feind in seiner Uniform, vollständig angekleidet mit Stiefeln und allen Orden, begraben werden musste.
    England hatte über Deutsch-Ostafrika jedoch eine Blockade verhängt, um sämtliche Importe zu unterbinden, damit der deutsche Feind schließlich buchstäblich barfuß kämpfen musste.
    Das brachte ihn auf die Lösung seines Problems. Er ging zum Zeltlager der Askari-Soldaten, zitierte einen Trompeter herbei und ließ

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