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Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Titel: Die Brückenbauer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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heranzuschaffen.
    Oscar hatte die folgende Operation bis ins kleinste Detail vorbereitet. Er sollte für die fachmännische Verladung der Geschütze und Munition auf die bereitstehenden Waggons sorgen. Für den Fall einer Entgleisung würde er den Zug nach Tanga zusammen mit fünfundzwanzig seiner Gleisbauer und mit Wagenhebern und Kränen ausgerüstet persönlich begleiten. Das Eintreffen der Artillerie in Tanga konnte von entscheidender Bedeutung sein, deswegen durfte beim Transport nichts schiefgehen.
    Der Zug konnte aufgrund des hohen Unfallrisikos nicht sehr schnell fahren. Die Reise gestaltete sich nervenaufreibend. Jedes Mal, wenn sie das Tempo erhöhten, riskierten sie, zu entgleisen. Oscar, der wie immer in der Lokomotive mitfuhr, musste dem nervösen Lokführer immer wieder vorrechnen, weswegen langsamer zu fahren sei, sobald dieser die Geschwindigkeit zu sehr erhöhte.
    Als sie den Stadtrand Tangas erreicht hatten, hielten sie an, um abzuladen. Ihnen war mitgeteilt worden, sich nicht bis zum Bahnhof vorzuwagen, da sie dort Gefahr liefen, von dem englischen Kreuzer auf der Reede beschossen zu werden.
    Es stellte zwar ein zusätzliches Problem dar, die Geschütze mit Fuhrwerken bis an die Front schaffen zu müssen, aber das hatte keine so große Bedeutung. Eigentlich war die Schlacht bereits gewonnen. Die größte englische Niederlage moderner Zeit würde bald eine Tatsache sein.
Ein paar kleinere Aufräumaktionen standen noch aus, mehr oder weniger eine Formalität. Einige Stunden später, als die deutsche Artillerie einsatzbereit war, entschied sich die Sache. Am 5. November hissten die Engländer die weiße Fahne und schickten eine Delegation, um über die Rückgabe Verwundeter zu verhandeln. Die deutsche Seite erbot sich großzügig, fast tausend tote englische Soldaten zu begraben.
    Im Laufe des Tages begab sich Oscar zur Offiziersmesse im Kaiserhof, wo man bereits den Sieg feierte und mehrere Offizierskollegen ihm mit Begeisterung die Details erzählten. Aus Verhören von Gefangenen hatte man ein gutes Bild des Verlaufs erhalten. Zum einen bestanden die »englischen« Truppen ausschließlich aus Indern, der Indian Expeditionary Force B , die bereits am 16. Oktober von Bombay bei schwerem Seegang in See gestochen war. Die zehntausend indischen Soldaten waren wie Vieh auf die Schiffe verladen worden. Die sanitären Verhältnisse waren, wie man es sich vorstellen konnte, unerträglich, und sie waren unter anderem von einer Choleraepidemie heimgesucht worden.
    Der englische Wahnsinn war unbegreiflich. Nach einer derart aufreibenden Seereise hätten sich die Truppen erst einmal einige Tage in Mombasa ausruhen müssen. Aber die englischen Generäle hatten die indischen Soldaten, die 63rd Palamcottah Light Infantry , umgehend nach Tanga verfrachtet. Dort hatte man sie direkt in die Landungsboote umgeladen.
    Die deutsche Garnison traute ihren Augen kaum. Die nonchalanten Engländer waren sich so sicher gewesen, dass die Stadt ungeschützt war und dass sie den Überraschungseffekt
auf ihrer Seite hatten, dass sie keine Erkundungstrupps an Land geschickt hatten, um sich zu vergewissern, dass kein deutscher Widerstand zu erwarten war.
    Laut telegrafischem Befehl von von Lettow-Vorbeck, der mit weiteren tausend Soldaten in einem Expresszug von Moshi unterwegs war, sollte die Garnison damit warten, sich zu erkennen zu geben, bis etwa die Hälfte der Landungstruppen das Ufer Tangas erreicht hätte. Man wollte die Engländer so lange wie möglich in Sicherheit wiegen, damit möglichst viele von ihnen in die Falle gingen. Als man dann das Feuer gleichzeitig aus verschiedenen getarnten Positionen eröffnete, brach bei den Landungstruppen natürlich Panik aus. Obendrein hatten sie auch noch die Natur und nicht nur ihre eigenen Generäle gegen sich. Im Zuge des verzweifelten Versuchs eines Gegenangriffs drangen sie durch die Gummiplantagen Richtung Stadt vor. Hier standen etliche Bienenstöcke. Einige der deutschen Askari-Soldaten hatten den glänzenden Einfall, auf diese Bienenstöcke zu schießen. Die armen indischen Soldaten mussten sich daraufhin, mehr oder minder blind in Wolken wütender Bienen gehüllt, zurückziehen.
    Der deutsche Sieg war überwältigend. Am Ufer lagen Unmengen militärischer Ausrüstung, die die Truppen zurückgelassen hatten. Gewehre und Munition, Maschinengewehre, leichte Artilleriegeschütze, Telefonausrüstungen, Decken, Waffenröcke, Uniformen, Medizin und Ausrüstung für ein

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