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Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Titel: Die Brückenbauer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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verzichten.
    Schweigend saßen die vier Offiziere da und aßen geräucherte Sprotten aus der Dose. Eine ganze Weile sagte keiner etwas. Die Afrikaner hatten sich auf den Zeltplanen ausgestreckt und schliefen bereits. Die Deutschen schielten ab und zu forschend zu Oscar hinüber. Dieser tat, als merke er nichts.
    »Sie sind eigentlich Norweger«, murmelte der Anführer Werner schließlich.
    »Ja. Aber aus verschiedenen Gründen sind Deutschlands Angelegenheiten auch meine. Unter anderem, weil ich die Gelegenheit erhielt, mich in Dresden zum Ingenieur ausbilden zu lassen«, erwiderte Oscar so ungerührt wie möglich. »Deshalb spreche ich auch so, wie man es an der Universität lernt«, fuhr er etwas kühner fort. »Was dem Kameraden Günther offenbar missfällt. Aber ich kann versichern, dass mein norwegischer Dialekt, meine Muttersprache, ausgesprochen proletarisch ist.«
    Mit Erstaunen sah er Günther aus vollem Hals lachen. Die anderen stimmten ein.
    Oscar verstand nicht, was so lustig an dem war, was er gesagt hatte, und sah die erschöpften, verschwitzten Männer fragend an. Harte Kerle, kein Zweifel, alle vollbärtig, breitschultrig und muskulös wie er selbst. Werner Schönfeldt war germanisch blond, auch sein Vollbart. Fritz hatte leicht rötliche Haare und der Ingenieurhasser Günther kohlrabenschwarze. Sie schienen sich immer noch sehr
über das, was Oscar gesagt hatte, zu amüsieren, sahen sich vielsagend an und lachten erneut.
    »Bester Herr Oberingenieur«, sagte Werner schließlich, »wir sind alle einem bedauerlichen Missverständnis zum Opfer gefallen. Ich bitte vielmals um Entschuldigung. Ich selbst habe geglaubt, man hätte unserem Verband einen verdammten Tintenpisser aufgehalst. Sie wissen schon. Die Militärbürokratie ist manchmal unergründlich. Mein Freund hier, Kamerad Günther, glaubte, er habe es mit einem Klassenfeind zu tun. Seine Worte. Und dann zeigt es sich, dass Sie gar nicht die Sprache der Oberklasse sprechen, sondern die des Proletariats. Auch das ein Ausdruck Kamerad Günthers. Was die Politik betrifft, bin ich mir mit Günther uneinig, aber wir haben uns darauf geeinigt, den Klassenkampf für die Dauer des Krieges ruhen zu lassen. Sind Sie damit einverstanden, Kamerad Oberingenieur?«
    Oscar konnte nur zustimmend nicken. Er versuchte zu lächeln. Er hatte keine Ahnung, wieso ihm plötzlich das Wort »proletarisch« eingefallen war, aber offenbar hatte es das Eis gebrochen.
    Das Eis gebrochen. Es war Januar. Eigentlich hätte er jetzt zu Hause sein sollen. Außerdem hätte der Krieg vorüber sein sollen.
    »Noch etwas. Ich habe nachgedacht«, fuhr Werner fort. »Ich glaube, ich weiß jetzt, wer du bist, verzeih, aber von jetzt an duzen wir uns in diesem Kreis. Du bist der Löwenjäger von Msuri, nicht wahr?«
    »Ja. Aber ich habe hauptsächlich Elefanten gejagt. Und dabei legt man bedeutend längere Strecken zurück als die heutige.«
    Die drei Deutschen lachten erneut und zogen sich gegenseitig
mit der Wette auf, bei der es offenbar darum gegangen war, wann der Grünschnabel zusammenbrechen würde. Damit war das Kriegsbeil endgültig zwischen ihnen begraben.
    Anfänglich stellten die Sabotageaktionen keine Schwierigkeiten dar, von den langen, anstrengenden Anmärschen einmal abgesehen. Sie verwendeten Dynamit, das mittels einer Zündschnur gezündet wurde. Sie wählten einen Platz, schätzten die Zeit, die es dauern würde, bis der Zug den ausgewählten Platz erreichte, und berechneten danach die Länge der Lunte. Sie vergruben den Sprengsatz und zogen sich bis auf denjenigen, der die Lunte anzünden musste, zurück. Und wieder war ein englischer Zug entgleist, und sie mussten auf dem Rückweg weniger schleppen.
    Nachdem die Engländer auf diese Weise drei Lokomotiven verloren hatten, versahen sie ihre Züge mit einem letzten Waggon voller hinter Sandsäcken verschanzter Askari-Krieger, die unter englischem Befehl standen. Das erschwerte die Lage. Die englischen Askari-Soldaten waren genauso gut wie die, die auf deutscher Seite kämpften. Sie konnten weite Strecken im Dauerlauf zurücklegen, konnten auch bei größter Hitze marschieren und waren unbarmherzige Verfolger. Die englischen Offiziere konnten bei Hitze allerdings nicht mit ihnen Schritt halten.
    Werners Sabotagetrupp änderte die Taktik. Entweder schlugen sie mittags zu, wenn sich die englischen Offiziere von der Hitze erholten, oder in der Nacht, wenn die afrikanischen Soldaten nur ungern die Verfolgung aufnahmen.

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