Die Brückenbauer: Roman (German Edition)
vernichtend geschlagen und verloren etliche Tausend Mann. Bei den etwa tausendfünfhundert Gefangenen schien es sich um eine Art Fremdenlegion zu handeln, bestehend aus den Loyal North Lancs, 130th Baluchis, 29th Punjabis, 2nd Rhodesians und den King’s African Rifles , die wie immer die Kerntruppe bildeten.
Englische Truppen schienen erstaunlich leicht zu besiegen zu sein. Es war ein Rätsel, warum der Krieg in Europa immer noch nicht entschieden war.
Während die Schlacht von Mbyuni tobte, war Werner Schönfeldts Sabotagegruppe gerade auf dem Rückweg von einem erfolgreichen Anschlag in der Nähe von Tsavo. Es
gelang ihnen nicht, an den englischen Truppen vorbeizukommen, die sich zu diesem Zeitpunkt in der Offensive befanden, sondern sie mussten an einem Hang ein Lager aufschlagen und abwarten. Der Proviant ging zur Neige, aber Oscar übernahm die Aufgabe, sich um Nachschub zu kümmern; vereinzelte Schüsse in der Kriegszone fielen kaum auf.
Mit der neuen technischen Ausrüstung hatten sie ihre Taktik verbessern können. Ein entscheidender Unterschied war, dass sich die Sprengladung aus der Ferne elektrisch zünden ließ. Auf Oscars Vorschlag hin griffen sie jetzt mit zwei Sprengladungen gleichzeitig an, eine für die Lokomotive und eine für den letzten Wagen mit der bewaffneten Eskorte. Einige Male hatte das perfekt funktioniert, gelegentlich war das Ergebnis nicht sonderlich zufriedenstellend gewesen. Sie waren aber immer davongekommen.
Die Engländer hatten zwar ein weiteres Mal ihre Taktik gewechselt und einen Waggon mit Pferden und Kavallerie mitten im Zug platziert. Aber im Busch mit Kavallerie anzugreifen war nicht leicht, und im Wald geradezu unmöglich.
In solchen Situationen war Oscar stets hinter seinen Kameraden zurückgeblieben und hatte sich einen passenden, wie er es nannte, Ansitz gesucht, um von dort aus auf die Pferde zu schießen, nicht auf die Engländer. Es war, wie auf angreifende Büffel zu schießen, nur schneller und weniger gefährlich. Pferde ließen sich viel leichter schießen.
Ein Pferd, das mitten in der Brust getroffen wurde, fiel vornüber, wenn die Vorderbeine wegknickten, und der Reiter wurde dabei zehn oder fünfzehn Meter nach vorn geschleudert und traf äußerst unsanft auf der Erde auf. Die
Pferde dahinter und daneben gerieten in Panik und warfen ihre Reiter ab. Nach ein oder zwei Schüssen herrschte bei den Kavalleristen, die die Verfolgung aufgenommen hatten, vollkommenes Chaos.
Die Kameraden lobten Oscar für diese brillante Taktik. Verletzte Feinde waren besser als tote Feinde, da sie Kosten verursachten. Aber für Oscar ging es nicht um Taktik, er wollte einfach keine Menschen töten, weder schwarze noch weiße. Aber natürlich wollte er den Krieg gewinnen.
Als sie im Biwak lagen und darauf warteten, dass die Engländer nach Mbyuni vorrückten, um nach Taveta zu gelangen, hatten sie nichts anderes zu tun, als mit dem Fernglas Ausschau zu halten und das Wild zu braten, das Oscar geschossen hatte. Er hatte seinen Kameraden eine Holzsorte gezeigt, die mit fast unsichtbarem Rauch verbrannte. Wasser hatten sie ebenfalls gefunden, eine Quelle am Hang. Sie litten also keine Not. In aller Ruhe warteten sie ab, bis die Engländer angriffen. Dann beobachteten sie ihren panischen Rückzug nach der Niederlage. Sie diskutierten, was die Engländer doch für lausige Soldaten waren. Sogar Oscar hielt das für offenkundig. Warum verloren sie immerzu? Wie war es ihnen gelungen, ein Weltreich zu schaffen, in dem die Sonne nie unterging? Das war sehr rätselhaft.
Noch etwas glaubten sie zu verstehen, nachdem der englische Rückzug stattgefunden hatte. Mithilfe des Kompasses hielten sie auf den eigenen Stützpunkt in Taveta zu. Das erwies sich als nicht so ungefährlich, wie sie angenommen hatten, denn überall gab es noch versprengte englische Truppen, die sich verirrt hatten und ohne Wasser und Proviant panisch auf der Flucht waren.
Sie änderten ihren Kurs und schlichen durch den Busch, wobei sie plötzlich in ein englisches Feldlazarett gerieten, das von Hyänen und wartenden Geiern umgeben war. Hier fanden sie eine Antwort auf die Frage, wie es unfähigen Soldaten gelingen konnte, ein Weltreich zu errichten.
Das Lazarett bestand aus kaum mehr als einem fünfzehn Meter langen Sonnenschutz aus Palmwedeln auf in die Erde gerammten Pfosten, der von einer Kompanie Askaris vermutlich in einer Stunde errichtet worden war. Aus der Entfernung sah die Konstruktion fast einladend aus.
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