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Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Titel: Die Brückenbauer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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gesamten Strecke gebaut.«
    »Nicht ich allein. Johan Svenske hat einen mindestens genauso großen Anteil an der Arbeit«, wehrte sich Lauritz verlegen. Er errötete unter seinem Schlapphut, und das passierte ihm nicht oft.
    »Das stimmt natürlich«, erwiderte Olav Berner. »Aber das gehört dazu hier oben, anders als im Tiefland. Hier muss man mit den Vorarbeitern auskommen, und Johan Svenske ist einer unserer allerbesten. Sie müssen wissen, dass er sonst sehr zurückhaltend ist, wenn es darum geht, Ingenieure zu loben. Er hat seinen Berufsstolz. Er ist der Meinung, dass sein Trupp und er die Arbeit machen und dass wir nur stören und außerdem noch unverschämt gut bezahlt werden.«
    »Stimmt das denn nicht?«, erdreistete sich Lauritz zu erwidern. »Es geht ja nicht nur darum, zu bauen, zu rechnen und zu zeichnen, hier muss man vor allem die Natur aushalten.«
    »Natürlich«, pflichtete ihm Skavlan bei. »Schnee und Wind sind unsere größten Feinde.«
    »Diese drei Brücken waren nicht sonderlich schwierig«, meinte Lauritz ausgelassen über die Anerkennung der Kollegen. »Bereits zur Römerzeit hätte man diese Brücken
ungefähr auf diese Weise gebaut, zumindest im Tiefland. Es war also eigentlich nicht viel dabei, ich meine, was die Konstruktionstechnik angeht.«
    Die beiden anderen erwiderten darauf nichts. Lauritz bereute seine neunmalkluge Betrachtung, aber gesagt war gesagt.
    Die beiden Chefs gingen scheinbar langsam und ruhig weiter und waren trotzdem viel schneller als Lauritz. Die Sonne stand inzwischen so tief, dass sie ihre Hüte abnehmen konnten. Nur auf den höchsten Gipfeln lag noch Schnee. Es war bereits im Juni so warm wie nie zuvor, zumindest konnte sich niemand erinnern. An den Sommer 1901 würde man noch lange denken.
    »Wir haben ein äußerst schwieriges Bauprojekt vor uns, das einige Leute als undurchführbar betrachten«, sagte Skavlan nach einer guten halben Stunde des Schweigens unvermittelt.
    »Wir wollten also wissen, ob du der richtige Mann dafür bist. Und das bist du«, ergänzte Berner und ging nahtlos zum vertraulicheren Du über.
    Lauritz verschlug es die Sprache. Seine Fantasie erlebte Höhenflüge. Es musste sich um etwas völlig Neues handeln, etwas, das es auf der gesamten Strecke noch nicht gegeben hatte.
    Die anderen sagten nichts mehr, sie warteten offenbar seine Reaktion ab. Wie er von Daniel gelernt hatte, durfte man sich mit der Antwort Zeit lassen. Aber seine Neugier veranlasste ihn dann doch zu einer Frage.
    »Und was soll ich Ihnen bauen?«
    »Eine Brücke. Aber nicht irgendeine Brücke. Ein Bogen mit einer Spannweite von fünfunddreißig Metern über
einen Wasserfall mit einer recht großen Fallhöhe«, antwortete Skavlan.
    »Eine Gewölbebrücke also«, stellte Lauritz fest.
    »Ja. Eine Gewölbebrücke zwischen zwei Tunneln«, bestätigte Olav Berner. »Entweder dieses Bauwerk gelingt, oder wir müssen den gesamten Streckenverlauf ändern, was eine Verzögerung von mehreren Jahren zur Folge hätte.«
    »Verstehe«, sagte Lauritz. »Und wo soll diese Brücke errichtet werden?«
    »Am Kleivevand, über den Kleivefoss«, meinte Skavlan. »Ich schlage Folgendes vor: Erst einmal wandern wir nach Ustaoset und feiern Mittsommer, und ich kann dir versichern, dass wir hier oben zu Sankt Hans noch nie so gutes Wetter hatten. Danach begleitest du uns über Finse zum geplanten Bauplatz und schaust dir alles an. Im Übrigen solltest du dich darauf einstellen, in ein paar Wochen nach Finse umzuziehen.«
    »Was soll ich dort tun?«
    »Zu Anfang nicht viel. Wir benötigen einige Hundert Meter westlich vom Bahnhof eine kleinere Brücke über den Finseå. Die Brücke wird benötigt, um mit den Arbeiten am Tunnel beginnen zu können. Ein Haus für die Ingenieure steht bereits, und wie du gehört hast, wird dort zusätzlich eine Baracke für zwei Arbeitertrupps errichtet, sodass im Winter Schicht gearbeitet werden kann. Von dort kannst du dich zu Fuß oder auf Skiern zu der achtzehn Kilometer entfernten Brückenbaustelle begeben. Aber genug davon, jetzt wollen wir den schönen lauen Sankt-Hans-Abend genießen.«
    Es war 21 Grad warm, als die acht Ingenieure der Strecke Geilo – Hallingskeid die drei Segelboote bei Ustaoset ins
Wasser schoben, um über den spiegelblanken See zu einer kleinen Insel zu segeln. Sie hatten eine ansehnliche Menge Dörrfleisch, Bier, Branntwein und Whisky an Bord. Von der Insel aus konnten sie fast die ganze Strecke sehen, die der Zug einmal am Ustavand

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