Die Brüder Karamasow
seien dem Glauben förderlich, weil ihnen die Teufel aus dem Jenseits die Hörner zeigen. ›Das ist‹, sagen sie, ›sozusagen schon ein materieller Beweis für das Vorhandensein jener Welt.‹ Das Jenseits und materielle Beweise, o weh! Und schließlich, selbst wenn die Existenz des Teufels bewiesen ist, so bleibt doch unbekannt, ob auch die Existenz Gottes bewiesen ist. Ich will in eine idealistische Gesellschaft eintreten und ihnen Opposition machen. ›Ich bin Realist‹, werde ich sagen. ›Und nicht Materialist, hehe!‹ «
»Hör mal!« sagte Iwan Fjodorowitsch und stand plötzlich vom Tisch auf, »ich bin jetzt wie im Fieber ... Und ich habe auch wirklich Fieber ... Schwatz du, was du willst, mir ist es gleich! Du wirst mich nicht in Harnisch bringen wie das vorige Mal. Ich schämte mich nur wegen einer Sache ... Ich will im Zimmer auf und ab gehen ... Ich sehe dich manchmal nicht und höre nicht einmal deine Stimme, wie das vorige Mal, doch ich errate immer, was du schwatzt – denn ich selbst bin es, der da spricht, und nicht du! Ich weiß nur nicht, habe ich das vorige Mal geschlafen, oder habe ich dich in wachem Zustand gesehen? Jetzt werde ich ein Handtuch mit kaltem Wasser befeuchten und mir auf den Kopf legen, vielleicht wirst du dann verschwinden.‹«
Iwan Fjodorowitsch ging in die Ecke, nahm ein Handtuch, tat, wie er gesagt hatte, und begann mit dem feuchten Handtuch auf dem Kopf im Zimmer auf und ab zu gehen.
»Es gefällt mir, daß wir uns beide so ohne weiteres gleich duzen«, hob der Gast an.
»Dummkopf!« versetzte Iwan lachend! »Wie werde ich denn Sie zu dir sagen! Ich bin jetzt vergnügt, nur in den Schläfen fühle ich einen Schmerz ... Und am Scheitel ... Bitte, philosophiere bloß nicht wie das vorige Mal! Wenn du dich nicht fortscheren kannst, plaudere über etwas Lustiges! Erzähl Klatschgeschichten! Du bist ein Schmarotzer, also erzähle auch Klatschgeschichten! So ein Aufdringling ist doch nicht loszuwerden! Aber ich fürchte mich nicht vor dir. Ich werde deiner Herr werden. Man wird mich nicht ins Irrenhaus bringen!«
»C'est charmant: ein Schmarotzer! Da bin ich ja gerade in meiner richtigen Gestalt! Was bin ich denn auf der Erde anderes als ein Schmarotzer? Apropos, ich höre dich an und wundere mich ein bißchen. Wahrhaftig, du fängst offenbar allmählich an, mich tatsächlich für ein wirkliches Wesen zu halten und nicht nur für ein Gebilde deiner Phantasie, wozu du mich das vorige Mal hartnäckig erklärt hast.«
»In keinem Augenblick halte ich dich für die reale Wahrheit!« rief Iwan zornig! »Du bist eine Lüge, du bist meine Krankheit, du bist ein Gespenst. Ich weiß nur nicht, wodurch ich dich vernichten könnte, und sehe, daß ich dich eine Weile werde dulden müssen. Du bist meine Halluzination. Du bist eine Verkörperung meines Ichs, doch nur einer Seite desselben ... Eine Verkörperung meiner Gedanken und Gefühle, aber der bösesten und dümmsten. In dieser Hinsicht könntest du sogar interessant für mich sein, wenn ich nur Zeit hätte, mich mit dir abzugeben ...«
»Erlaube, daß ich dich widerlege! Denk einmal an vorhin unter der Laterne, als du Aljoscha angeschrien hast: ›Du hast es von ihm erfahren! Woher hast du erfahren, daß er zu mir kommt?‹ Damit hast du mich gemeint. Also ein kleines, ganz kleines Augenblickchen hast du doch geglaubt, daß ich tatsächlich existiere«, sagte der Gentleman mit einem sanften Lachen.
»Ja, das war eine physische Schwäche ... Doch ich konnte nicht an dich glauben. Ich weiß nicht, habe ich das vorige Mal geschlafen oder bin ich umhergelaufen? Ich habe dich damals vielleicht nur im Traum gesehen und gar nicht in wachem Zustand ...«
»Aber warum warst du vorhin so heftig zu ihm, ich meine, zu Aljoscha? Er ist ein liebenswürdiger Mensch!«
»Schweig von Aljoscha! Wie kannst du es wagen, du Knechtsseele!« erwiderte Iwan, lachte jedoch bereits wieder.
»Du schimpfst, lachst aber dabei, das ist ein gutes Zeichen. Du bist übrigens heute viel liebenswürdiger zu mir als das vorige Mal. Und ich verstehe warum: dieser große Entschluß ...«
»Schweig von dem Entschluß!« schrie Iwan wütend.
»Ich verstehe, ich verstehe, c'est noble, c'est charmant! Du gehst morgen hin, um deinen Bruder zu verteidigen und dich selbst zu opfern ... c'est chevaleresque ..,«
»Schweig, sonst werd' ich dir Fußtritte versetzen!«
»Darüber werde ich mich zum Teil freuen, dann habe ich meine Absicht nämlich erreicht. Wenn du
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