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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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Armut, der Fluch der ehrenhaften Familie und endlich die Gönnerschaft eines reichen alten Mannes, den sie auch jetzt noch für ihren Wohltäter hält. In dem jungen Herzen, das viel Gutes in sich haben mag, sammelte sich seit früher Zeit ein geheimer Zorn. Ein berechnender, auf Anhäufung von Kapital bedachter Charakter bildete sich heraus. Es entwickelten sich Spottlust und Rachsucht gegen die Gesellschaft.‹ Nach dieser Charakteristik ist es verständlich, daß sie sich über den einen und den anderen lustig machen konnte und mit ihnen nur ihr boshaftes Spiel trieb. Und in diesem Monat der hoffnungslosen Liebe, der moralischen Vergehen, der Untreue gegen seine Braut, der Aneignung fremden Geldes, das ihm anvertraut war – in diesem Monat wird der Angeklagte außerdem noch durch die stete Eifersucht in Raserei und Wut versetzt, und zwar Eifersucht auf wen? Auf seinen Vater! Und was die Hauptsache ist: Der alte Mann sucht das Objekt der Leidenschaft seines Sohnes durch dieselben dreitausend Rubel zu gewinnen, die der Sohn für sein Eigentum hält, für das ihm von seiner Mutter zugefallene und angeblich durch seinen Vater vorenthaltene Erbteil! Ja, ich gebe zu, daß das schwer zu ertragen war! Da konnte auch eine Manie entstehen. Nicht um das Geld handelte es sich, sondern darum, daß mittels dieses Geldes sein Glück auf so ekelhaft zynische Weise zerstört wurde!«
    Dann kam Ippolit Kirillowitsch darauf zu sprechen, wie in dem Angeklagten der Gedanke des Vatermordes allmählich herangereift war, und verfolgte dies an Hand der Tatsachen.
    »Anfänglich schreien wir nur in den Wirtshäusern; den ganzen Monat über schreien wir. Oh, wir leben gern unter Menschen und teilen diesen Menschen gern sogleich alle unsere Gedanken mit, selbst die teuflischsten und gefährlichsten; wir lassen die Menschen an allem, was uns bewegt, teilnehmen und fordern noch dazu, daß diese Menschen unsere Offenherzigkeit mit Sympathie erwidern, auf alle unsere Sorgen und Bekümmernisse eingehen, uns zustimmen und unseren Wünschen keine Hindernisse bereiten. Sonst werden wir wütend und bringen das ganze Restaurant in Aufruhr.« (Es folgte die Geschichte von dem Stabskapitän Snegirjow.) »Diejenigen, die den Angeklagten in diesem Monat sahen und hörten, hatten schließlich das Gefühl, daß diese Drohungen gegen den Vater möglicherweise nicht mehr leeres Geschrei waren, sondern am Ende zur Tat werden würden.« (An dieser Stelle beschrieb der Staatsanwalt die Familienzusammenkunft im Kloster, die Gespräche mit Aljoscha und die Mißhandlungsszene im Haus des Vaters, als der Angeklagte nach dem Mittagessen bei ihm eingedrungen war.) »Ich denke nicht daran, eigensinnig zu behaupten«, fuhr Ippolit Kirillowitsch fort, »daß der Angeklagte schon vor dieser Szene mit Vorbedacht den Plan gefaßt hatte, seine Streitigkeiten mit dem Vater durch dessen Ermordung zu beenden. Trotzdem war dieser Gedanke schon einige Male vor ihm aufgetaucht, und er hatte ihn überlegt von allen Seiten betrachtet, dafür haben wir Tatsachen, Zeugen und sein eigenes Geständnis. Ich bekenne, meine Herren Geschworenen, ich habe sogar bis heute geschwankt, ob ich dem Angeklagten bei dem sich ihm aufdrängenden Verbrechen einen bewußten Vorbedacht unterstellen sollte. Ich war fest überzeugt, daß seine Seele schon mehrmals im voraus an den verhängnisvollen Augenblick gedacht, jedoch eben nur an ihn gedacht, ihn sich als Möglichkeit vorgestellt, aber noch nicht den Zeitpunkt der Ausführung und die näheren Umstände festgelegt hatte. Doch ich habe nur bis heute geschwankt, bis zu diesem verhängnisvollen Schriftstück, das Fräulein Werchowzewa heute dem Gericht vorgelegt hat. Sie haben selbst ihren Ausruf gehört, meine Herren! ›Das ist ein vollständiger Plan, ein Programm des Mordes!‹ So hat sie den unglücklichen Brief des unglücklichen Angeklagten genannt. Und in der Tat, dieser Brief hat durchaus die Bedeutung eines Programms und ist der Beweis für einen Vorbedacht. Er wurde zwei Tage vor dem Verbrechen geschrieben, und durch ihn ist uns jetzt mit Sicherheit bekannt, daß der Angeklagte zwei Tage vor der Ausführung seines furchtbaren Plans geschworen hat, wenn er sich am nächsten Tage kein Geld beschaffen könne, werde er seinen Vater ermorden, um ihm das Geld wegzunehmen, das bei ihm unter dem Kopfkissen lag, ›in dem Kuvert mit dem roten Bändchen, sobald Iwan abgereist ist‹. Hören Sie: ›sobald Iwan abgereist ist‹. Hier ist also schon

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