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Die Brueder Karamasow

Die Brueder Karamasow

Titel: Die Brueder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodr Michailowitsch Dostojewski
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den dreitausend Rubeln, die Sie sich in tadelnswerter oder, wenn Sie es selbst so wünschen, in schmählicher Weise angeeignet hatten, die Hälfte zwecks Verwendung nach eigenem Ermessen abgezweigt haben? Die Hauptsache ist doch, daß Sie sich die dreitausend angeeignet und nicht, wie Sie darüber verfügt haben. Apropos, warum verfügten Sie eigentlich so, das heißt, warum zweigten Sie die Hälfte ab? In welcher Absicht, zu welchem Zweck taten Sie das? Können Sie uns das erklären?«
    »Oh, meine Herren, gerade in der Absicht liegt ja die Wurzel!« rief Mitja. »Ich zweigte die Hälfte aus Gemeinheit ab, das heißt aus Berechnung, denn Berechnung ist in diesem Fall eben Gemeinheit ... Und einen ganzen Monat dauerte sie, diese Gemeinheit!«
    »Das ist unverständlich.«
    »Ich wundere mich über Sie. Aber vielleicht drücke ich mich wirklich unverständlich aus? Passen Sie auf. Ich eigne mir dreitausend Rubel an, die mir im Vertrauen auf meine Ehrenhaftigkeit übergeben worden sind, verjuble sie völlig und gehe am Morgen zu ihr und sage: ›Katja, verzeih, ich habe deine dreitausend Rubel verjubelt!‹ Ist das schön? Nein, das ist nicht schön, das ist ehrlos und unwürdig, ich habe da gehandelt wie ein Mensch, der sich wie ein Tier nicht zu beherrschen weiß, nicht wahr? Aber trotzdem bin ich kein Dieb, nicht direkt ein Dieb, das werden Sie zugeben müssen! Ich habe das Geld verjubelt, aber nicht gestohlen! Jetzt der zweite, noch günstigere Fall. Hören Sie genau zu, sonst komme ich womöglich wieder aus dem Konzept, mir ist nämlich sehr schwindlig. Also der zweite Fall: Ich verjuble hier nur fünfzehnhundert Rubel von den dreitausend, das heißt die Hälfte. Am anderen Tag gehe ich zu ihr und bringe ihr die andere Hälfte. ›Katja‹, sage ich, ›nimm von mir Schurken und leichtsinnigem Patron diese Hälfte wieder zurück, denn die andere Hälfte habe ich durchgebracht. Ich fürchte, daß ich auch diese durchbringen werde; also nimm sie wieder, damit mir diese Sünde erspart bleibt!‹ Nun, was wäre ich in diesem Fall? Alles, was Sie wollen, ein unvernünftiges Tier, ein Schuft – doch kein Dieb, keineswegs ein Dieb. Denn wäre ich ein Dieb, hätte ich sicherlich die übriggebliebene Hälfte nicht zurückgebracht, sondern sie mir ebenfalls angeeignet. So aber sieht sie ein: Wenn ich so schnell die eine Hälfte zurückgebracht habe, werde ich auch den Rest, die verjubelte Summe, zurückbringen, werde mein Leben lang nach einer Möglichkeit suchen, arbeiten, sie schließlich finden und ihr das Geld zurückgeben. Unter diesen Umständen bin ich zwar ein Schuft, aber jedenfalls kein Dieb!«
    »Ich will zugeben, daß da ein gewisser Unterschied vorhanden ist«, sagte der Staatsanwalt, kühl lächelnd. »Aber seltsam ist trotzdem, daß Sie diesen Unterschied für so verhängnisvoll halten.«
    »Ja, ich halte ihn für verhängnisvoll. Ein Schuft kann jeder sein und ist vielleicht jeder; ein Dieb aber kann nicht jeder sein, sondern nur ein Erzschuft. Nun, ich verstehe mich nicht auf diese Feinheiten. Nur so viel kann ich sagen: Ein Dieb ist gemeiner als ein Schuft, das ist meine Überzeugung. Hören Sie, ich trage das Geld einen ganzen Monat mit mir herum; tagtäglich kann ich es zurückgeben und bin dann kein Dieb mehr. Aber ich kann mich nicht dazu entschließen, obgleich ich jeden Tag ansetze und mich selbst antreibe: ›Entschließ dich, entschließ dich, du Schuft!‹ Und sehen Sie, so kann ich mich den ganzen Monat nicht dazu entschließen, das ist es. Nun, ist das schön, ist das Ihrer Ansicht nach schön?«
    »Das ist allerdings nicht gerade schön, das sehe ich ein und streite nicht«, erwiderte der Staatsanwalt mit Zurückhaltung. »Aber wir wollen den Disput über diese feinen Unterschiede lieber beiseite lassen und wieder zur Sache kommen, wenn es Ihnen gefällig ist. Es handelt sich darum, daß Sie trotz unserer wiederholten Fragen noch nicht bereit waren, zu erklären, zu welchem Zweck Sie eine solche Teilung der dreitausend Rubel ursprünglich vornahmen, nämlich, die eine Hälfte durchbrachten und die andere versteckten. Zu welchem Zweck versteckten Sie sie eigentlich? Welche Absicht hatten Sie eigentlich mit diesen abgezweigten fünfzehnhundert Rubeln? Ich möchte auf dieser Frage bestehen, Dmitri Fjodorowitsch.«
    »Ja wahrhaftig!« rief Mitja und schlug sich mit der Hand vor die Stirn. »Verzeihen Sie, ich quäle Sie und erkläre die Hauptsache nicht; sonst hätten Sie sofort verstanden, daß

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