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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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noch nicht kennengelernt hatte, quälte sein Herz. Die ganze Nacht ließen ihn seine Gedanken nicht schlafen. Der Zug flog dahin, und erst als sie bei Tagesgrauen in Moskau einfuhren, kam er gewissermaßen zur Besinnung.
    »Ich bin ein Schurke!« flüsterte er vor sich hin.
    Fjodor Pawlowitsch aber blieb, nachdem er seinen Sohn hinausbegleitet hatte, in sehr zufriedener Stimmung zurück. Ganze zwei Stunden fühlte er sich beinahe glücklich und trank ab und zu ein Gläschen Kognak. Doch plötzlich ereignete sich im Hause etwas sehr Ärgerliches und für alle sehr Unangenehmes, was Fjodor Pawlowitsch sofort zutiefst bestürzte. Smerdjakow war aus irgendeinem Grund in den Keller gegangen und von der obersten Stufe gestürzt. Es war noch gut, daß Marfa Ignatjewna in diesem Augenblick zufällig auf dem Hof war und es rechtzeitig hörte. Den Fall selbst sah sie nicht; dafür hörte sie einen Schrei, den eigenartigen, ihr aber schon bekannten Schrei eines Epileptikers, der einen Anfall bekommt. Ob ihn der Anfall in dem Moment überrascht hatte, als er die Stufen hinabzusteigen begann, so daß er natürlich sogleich bewußtlos hinunterstürzen mußte, oder ob sich umgekehrt infolge des Falls und der Erschütterung bei dem notorischen Epileptiker Smerdjakow der Anfall eingestellt hatte, war nicht zu entscheiden. Als man ihn fand, lag er schon auf dem Boden des Kellers, in Krämpfen und Zuckungen, um sich schlagend, und mit Schaum vor dem Mund. Man glaubte anfangs, er habe sich etwas gebrochen, einen Arm oder ein Bein, oder sich anderweitig beschädigt; doch »Gott hat ihn behütet«, wie sich Marfa Ignatjewna ausdrückte: Es war nichts Derartiges geschehen. Es war nur schwer, ihn richtig, zu fassen und ihn aus dem Keller ins Freie zu tragen. Aber sie baten die Nachbarn um Hilfe und kamen so, wenn auch mit Mühe, zurecht.
    Auch Fjodor Pawlowitsch war persönlich anwesend und half selbst mit. Er war offenbar sehr erschrocken und beinahe fassungslos. Der Kranke kam jedoch nicht zur Besinnung; die Anfälle hörten zwar zeitweilig auf, kehrten aber dann wieder, und alle folgerten daraus, der weitere Verlauf werde sein wie im vorigen Jahr, als er vom Dachboden gefallen war. Sie erinnerten sich, daß ihm damals Eis auf den Kopf gelegt worden war. Eis war im Keller noch vorhanden, und Marfa Ignatjewna machte ihm eine Packung; Fjodor Pawlowitsch schickte gegen Abend noch zu Doktor Herzenstube, der unverzüglich kam. Nachdem er den Kranken sorgsam untersucht hatte – er war der gewissenhafteste Arzt im ganzen Gouvernement, ein sehr achtbarer älterer Herr –, erklärte er, der Anfall sei von außerordentlicher Art und »es drohe vielleicht Gefahr«. Vorläufig verstehe er noch nicht alles; morgen früh werde er, sollten die jetzigen Mittel nicht helfen, zu anderen greifen. Der Kranke wurde im Seitengebäude ins Bett gepackt, in einem Zimmer neben dem Grigoris und Marfa Ignatjewnas.
    Fjodor Pawlowitsch mußte den Tag über ein Unglück nach dem anderen ertragen. Das Mittagessen hatte Marfa Ignatjewna zubereiten müssen; infolgedessen schmeckte die Suppe, mit Smerdjakows Kunstleistungen verglichen, wie Spülwasser, und das Huhn erwies sich als so trocken, daß es überhaupt nicht zu kauen war. Auf die bitteren, allerdings wohl berechtigten Vorwürfe ihres Herrn erwiderte Marfa Ignatjewna, das Huhn sei ohnehin schon sehr alt gewesen, und sie selbst habe nicht Koch studiert. Gegen Abend kam noch eine andere Sorge hinzu. Fjodor Pawlowitsch erhielt die Meldung, Grigori, der schon seit zwei Tagen krank war, habe sich wegen heftiger Kreuzschmerzen zu Bett legen müssen.
    Fjodor Pawlowitsch beendete den Tee so früh wie möglich und schloß sich allein im Haus ein. Er befand sich in schrecklicher, beängstigender Spannung. Ausgerechnet an diesem Abend erwartete er Gruschenka fast mit Sicherheit. Zumindest hatte ihm Smerdjakow schon morgens versichert, sie habe versprochen, bestimmt zu kommen. Das Herz des erregten alten Mannes schlug unruhig, er lief in seinen leeren Zimmern auf und ab und horchte. Dauernd mußte er sein Ohr anstrengen; Dmitri Fjodorowitsch konnte ihr irgendwo auflauern, und wenn sie ans Fenster klopfte – Smerdjakow hatte ihm schon vor zwei Tagen versichert, daß er ihr mitgeteilt habe, wo und wie sie klopfen müsse –, mußte er so schnell wie möglich die Tür öffnen und sie nicht eine Sekunde vergebens warten lassen, damit sie nicht, was Gott verhüte, Angst bekam und wieder weglief. Ja, Fjodor Pawlowitsch hatte

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