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Die Brueder

Die Brueder

Titel: Die Brueder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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keinesfalls als unpatriotisch. Sogar das französische Theater gehörte inzwischen zum guten Geschmack. Deswegen war es ihnen auch nicht unvorsichtig vorgekommen, sich im St. James’s eine Gastvorstellung aus Paris anzuschauen, Der Geizige von Molière. Vor dem Krieg wäre die Lage anders und das Stück suspekt gewesen, inzwischen waren frankophile Neigungen stubenrein, die Franzosen keine lächerlichen frogs mehr, und die französische Kunst galt nicht mehr als pervers.
    Albie und Sverre hatten sich sicherheitshalber schlicht gekleidet, um sich dem Mittelklassepublikum, das bei einem Stück auf Französisch zu erwarten war, anzupassen. Sie wollten anonym bleiben und sich in keine Auseinandersetzungen verwickeln lassen. Diese Vorsichtsmaßnahme sollte sich als fatal wohlfunktionierend erweisen.
    Als sie das Theater verließen, wurden sie von Aktivistinnen der Pankhurst umringt, die von dem Kampf für das Frauenwahlrecht dazu übergegangen waren, Männer zu schikanieren, die sich noch nicht freiwillig gemeldet hatten, indem sie weiße Hühnerfedern an alle zivilgekleideten Männer im geeigneten Alter austeilten.
    Die ehemaligen, durch jahrelange Kämpfe mit der Polizei kampferprobten Suffragetten waren nicht zimperlich und äußerst streitsüchtig. Es war unmöglich, sich durch ihre dichten Reihen vor dem Theater hindurch­zudrängen, ohne mit zig weißen Federn gespickt zu werden.
    Da Albie und Sverre nicht die Einzigen waren, die auf diese Art schikaniert wurden, wäre alles gut gegangen, wenn nicht eine der Pankhurst-Anhängerinnen sie erkannt hätte. Hasserfüllt brüllend und mit gezücktem Regenschirm ging sie zum Angriff über und bezichtigte sie, bekannte Sympathisanten der Deutschen zu sein. Sverre packte den Regenschirm, riss ihn der rasenden Amazone aus der Hand und warf ihn beiseite, was seine Lage nicht unbedingt verbesserte, denn jetzt kam von allen Seiten Verstärkung in Form von Regenschirmen und steingefüllten Handtaschen. Im Nu waren Albie und Sverre von rasenden Frauen umzingelt, die von allen Seiten auf sie einstachen und losprügelten und sie lauthals als Sympa­thisanten der Deutschen beschimpften und des Verrats bezichtigten. Außerdem forderten sie die umstehenden Männer auf, ihnen bei ihrer Auseinandersetzung mit den Landesverrätern beizustehen.
    Wer nicht mit angesehen hatte, wie der Streit begonnen hatte, musste den Eindruck gewinnen, zwei Männer seien auf die Kriegsaktivistinnen losgegangen, und die Männer, die den Frauen jetzt zu Hilfe eilten, verwandelten das kleine Handgemenge wenig später in brutale und systema­tische Körperverletzung.
    Sverre lag auf Albie und versuchte so gut es ging, dessen Kopf und Oberkörper zu schützen, während es von allen Seiten Tritte und Schläge hagelte.
    Es hätte schlimm enden können, wenn nicht wenig später Polizisten zur Stelle gewesen wären, den Schlägen rasch ein Ende bereitet und Albie und Sverre auf die Beine geholfen hätten. Die beiden waren blutbesudelt und benommen, ihre Kleider waren zerrissen, und sie und die Polizisten wurden von einer bedrohlichen Volksmenge umringt, die Schmährufe ausstieß und der Polizei vorwarf, für Deutschland Partei zu ergreifen. Der Pöbel verlangte lautstark die Auslieferung des Feindes, damit man kurzen Prozess machen könne. Neugierige strömten herbei, die nicht mehr wussten, als dass der Streit offenbar durch Sym pathiekundgebungen für die Deutschen ausgelöst worden war, und stimmten in die Beleidigungen ein.
    Es ist möglich, aber alles andere als gewiss, dass in diesem Augenblick jemand etwas über Manningham und seine deutsche Tunte rief. Tatsache ist jedenfalls, dass der Chief Constable erkannte, wen er vor sich hatte, und dem Mob mitteilte, man habe einen Lord angegriffen. Unverzüglich und wie durch Zauberhand war der Streit beendet, und die Menge verlief sich murrend.
    Die Polizisten brachten Albie und Sverre nach Hause an den Gordon Square, wo sie von einem Arzt und einer Krankenschwester versorgt wurden. So weit hätte die Sache, ein unangenehmer, aber im Großen und Ganzen bedeutungsloser Vorfall, wie er in London überall an der Tagesordnung war, noch im Sande verlaufen können. Albie und Sverre hatten eine Menge blaue Flecken bekommen und waren nicht sehr präsentabel, aber schlimmer war es auch nicht.
    Aber als die Daily Mail die Ereignisse in einer drama­tischen Version wiedergab, kam es zum Skandal.
    Der Reporter der Zeitung wusste zu berichten, dass weder Lord Albert Fitzgerald

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