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Die Brueder

Die Brueder

Titel: Die Brueder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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lieben?«
    »Nein!«
    Diese rasche Antwort ohne jedes Zögern überraschte und erfreute Sverre. Vor allem Letzteres, weil sie ihm vollkommen aufrichtig erschien, so aufrichtig, wie es nur zwischen zwei Männern sein konnte, die sich ausgesprochen nahestanden. Aber er fragte nicht weiter, sondern wartete Albies Erklärung ab, der die Stille nie sonderlich lange ertrug.
    Man müsse unbedingt berücksichtigen, hob Albie an, dass er erstmals als verwöhnter zwanzigjähriger Bursche mit Oscar Wilde und seinem Kreis in Berührung kam und sich wie ein Kalb im Frühling benahm, das nach einem langen Winter auf die grüne Weide gelassen wird, wild und ausgelassen. Es stellte eine unbeschreibliche Befreiung dar, sich offen und demonstrativ von den ganzen verkommenen, erzkonservativen, bigotten und schwachsinnigen englischen Vorschriften für das Verhalten, die Kleidung und die Verpflichtungen eines Gentleman zu distanzieren, insbesondere für jemanden in seiner Position, der im Unterschied zu Bosie gezwungen sein würde, irgendwann einen Erben zu zeugen. Das Leben in dieser kurzen, traumähnlichen und fantastischen Zeit mit den grünen Nelken sei wie ein einziger Freiheitstaumel gewesen. Die kindische Freude daran, die Welt zu schockieren, war wirklich nicht zu unterschätzen. Sie sei vielmehr ein Aufruhr gewesen als die Freude an verbotenen Früchten.
    Und noch etwas anderes konnte gar nicht genug betont werden. Er sei erst einundzwanzig gewesen, als er diesen Text verfasst hatte. Das lag nun sechs Jahre zurück, wovon er die letzten drei zusammen mit Sverre in Dresden, in einer ganz anderen Welt, verbracht hatte.
    Vor sechs Jahren war er mit der entmutigten Einstellung nach Dresden gereist, der Spaß sei nun vorbei und der Ernst des Lebens stehe bevor. Er musste sich zusammennehmen, normal werden, und zwar nicht nur, was nächt­liche Ausschweifungen, sondern auch die konkretere Lebensplanung betraf.
    So war es seinerzeit seinem Vater ergangen, wie Sverre hatte lesen können. Albies Vater hatte sich in recht jungen Jahren den Konventionen und seiner Verantwortung gebeugt, indem er die ihm auferlegte Verantwortung übernommen, allerdings nur einen Sohn gezeugt hatte.
    Albie hatte sich darauf eingestellt, es ihm gleichzutun, bis er Sverre begegnet war. Seither konnten ihm alle Prinzipien gestohlen bleiben.
    Albie verstummte und zündete sich eine weitere Zi­garette an. Jetzt war Sverre mit einem entsprechenden ­Bekenntnis an der Reihe. Das war nicht leicht. Auf der Osterøya gab es keine grünen Nelken, vermutlich nicht einmal in Bergen, zumindest war ihm nichts dergleichen bekannt. Er hatte nie das Gefühl gehabt, anders zu sein, er war wie seine Brüder zum Dorschfischen aufs Eis ge­gangen, war wie sie gerudert, hatte geschreinert, Schafe gehütet und Heu gewendet. Später hatte er wie sie die Seilerlehre begonnen und studiert. Der einzige Unterschied zwischen ihnen hatte darin bestanden, dass er besser zeichnen und schnitzen konnte, Oscar wiederum war der bessere Schütze und Lauritz der Radrennfahrer gewesen. Aber solche Unterschiede waren belanglos.
    Bis zum heutigen Tag begriff er nicht, wie es zu seiner Veranlagung gekommen war. Seit drei Jahren grübelte er nicht mehr über diese Frage nach, weil er zu dem Schluss gelangt war, dass sie sinnlos war. Dass sie sich nie trennen und immer zusammen aufwachen würden, war das einzig Wichtige und hatte nichts mit sozialer Revolte zu tun.
    Offenbar fand Albie, dass sie vom Thema, welchem auch immer, abgekommen waren.
    »Hast du dich in Margie verliebt?«, fragte er, nachdem Sverre verstummt war. Einer seiner üblichen Tricks war, das Gespräch durch eine vollkommen überraschende Frage abrupt in eine andere Richtung zu lenken.
    »Ja, natürlich«, antwortete Sverre überrumpelt. »Das erkennt man doch an dem Porträt.«
    »Ja, es ist wirklich fantastisch. Der Goldregen der Liebe als quer durch das Bild verlaufender Lichtstrahl war ein genialer Einfall.«
    Albie verstummte, trank einen Schluck Whisky und wartete auf Sverres Entgegnung. Dieser brauchte eine Weile, bis ihm eine Antwort einfiel.
    »Man könnte vielleicht sagen, dass es sich in diesem Fall um die Liebe handelt, die ihren Namen nicht zu nennen wagt«, meinte er, ohne eine Miene zu verziehen.
    Albie lachte.
    »Touché!«, erwiderte er. »Aber du siehst doch ein, dass weder deine finanziellen Verhältnisse noch deine Herkunft den Anforderungen genügen?«
    »Durchaus«, erwiderte Sverre im selben scherzhaften Ton

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