Die Brueder
Erfolg oder Skandal, je nachdem, wie man die Sache sah. Schließlich kam die Polizei und machte sowohl Gemälde als auch Aussteller dingfest. Der bedeutendste Kunstexperte der Stadt wurde hinzugezogen und stellte mithilfe eines Vergrößerungsglases und eines Säuretests fest, dass das Gemälde mit einer für die Mitte des 17. Jahrhunderts typischen Technik gemalt worden sei. Zweifellos handele es sich um das in Berlin gestohlene Porträt Rembrandts. Als Albie und Sverre unter dem Verdacht des schweren Diebstahls beziehungsweise der Hehlerei dem Haftrichter vorgeführt wurden, schlug die Komik in Schrecken um.
Als Sverre immer verzweifelter – just in jenem Augenblick war es nicht so spaßig wie später im Rückblick – versicherte, alles sei nur ein Scherz und er habe das Bild gemalt, wollte man ihm keinen Glauben schenken. Der Kunstexperte hatte schließlich bereits sein Urteil abgegeben, und den beiden vermeintlichen Kunstdieben, die so dumm gewesen waren, das weltberühmte Gemälde für Pfennigbeträge auszustellen, drohte eine lange Gefängnisstrafe.
Zu guter Letzt gelang es Albies Anwälten, vermutlich den teuersten Anwälten in ganz Sachsen, die Kunstexperten dazu zu bewegen, dem Haftprüfungstermin beizuwohnen. Sverre erhielt die Gelegenheit, zu demonstrieren, dass die Nägel, mit denen die Leinwand auf den Rahmen gespannt worden war, einem modernen deutschen Typ entsprachen und dass der Rahmen aus Ulmenholz bestand, das so frisch war, dass es immer noch nach Ulme duftete.
Die Anklage wurde sofort geändert. Jetzt bezichtigte man sie der besonders schwerwiegenden Kunstfälschung, worauf die Anwälte einwendeten, kein vernünftiger Mensch käme auf die Idee, einen weltberühmten Rembrandt zu fälschen, weil dieser praktisch unverkäuflich sei. Es handele sich um einen Studentenscherz, geschmacklos zwar wie viele zuvor, aber nichtsdestotrotz nur einen Scherz.
Der zunehmend amüsierte Richter ließ die Studenten mit einem strengen Verweis davonkommen. Er beschloss aber auch, die Fälschung zu konfiszieren, die damit in staatlich-sächsischen Besitz überging. Ihr weiteres Schicksal war unbekannt. Vermutlich hing das Gemälde inzwischen zu Hause bei dem Richter an der Wand.
Auf diese Episode spielte Albie an, als er von Sverres Talent sprach, seine unglaubliche Begabung nachzuahmen, was andere gemalt hatten.
Aber die Gemälde, die jetzt den Beginn ihrer Kunstsammlung in dem langen weißen Galeriegang darstellten, waren radikal anders. Als sei ein Schmetterling aus seinem Kokon geschlüpft, wie Albie meinte.
Sverre musste zugeben, in ähnlichen Bahnen gedacht zu haben, auch wenn er nicht auf die Idee gekommen wäre, sein bisheriges Leben mit dem einer Puppe und sein jetziges mit dem eines Schmetterlings zu vergleichen.
Sie begaben sich ins Obergeschoss, nahmen in den Sesseln des Herrenzimmers Platz und führten das Gespräch sitzend und ohne Gläser in der Hand fort. Vom Vergleich aus dem Tierreich einmal abgesehen, handelte es sich in der Tat um eine bemerkenswerte Metamorphose.
Sverre stimmte Albies Beobachtungen in vielem zu. Er versuchte zu erklären, was während der Arbeit an Margies Porträt in ihm vorgegangen war. Er hatte nicht nur ihr, sondern auch sich selbst gegenüber etwas aussagen wollen. Plötzlich hatte er sie so gesehen, wie sie war, in ihrer Wirklichkeit und nicht auf dem Gemälde eines Außenstehenden. Das war ein sehr seltsames Erlebnis gewesen, und manchmal befürchtete er, dass sich das Fenster auf diese wunderbar duftende und stinkend hässliche Welt genauso plötzlich, wie durch einen Windstoß, wieder schließen könnte und er sich in eine Person zurückverwandelte, die einfach nur andere Werke kopierte. Deshalb wollte er die Inspiration nutzen, solange sie anhielt. Am liebsten wollte er gleich mit weiteren Bildern wie jener Küchenszene beginnen. Von den Ställen, in denen die Hufschmiede beschäftigt waren, von der Wagenremise, in der sich immer zwei Kutscher bereithielten, Karten spielten und darauf warteten, dass aus dem großen Haus geklingelt wurde, von der Sattlerei, kurz gesagt, vom ganzen Gut Manningham.
»Eine vollständige Dokumentation der sterbenden Welt«, fasste Albie missvergnügt zusammen.
»Ganz und gar nicht«, wandte Sverre ein. »Eine Dokumentation dessen, was niemals dokumentiert wird, ein unbekanntes Bild der Welt. Auf einer zugegeben simplen Ebene, ähnlich wie die Darstellung deiner Zeit mit Oscar Wilde.«
»Ach? Du hast mein kleines Opus
Weitere Kostenlose Bücher