Die Brut des Bösen - Graham, P: Brut des Bösen - L'Apocalypse selon Marie
Treibjagd auf sie veranstaltete, als wäre sie ein wildes Tier.«
»Ich meinte nicht nur das.«
»Ich höre.«
»Ihr letzter Auftrag war besonders schwierig, und ich fürchte, dass sie gefährlich geworden ist.«
»Du meinst, dass sie so weit gehen könnte, auf Kollegen zu schießen?«
»Ich weiß nicht. Das kleine Mädchen macht mir Bauchschmerzen. Es kommt mir so vor, als ob Maria ihre eigene Geschichte neu inszeniert und die Kleine bis zum Letzten schützen wird.«
»In Ordnung. Ich gebe den Leuten Anweisungen. Ich weiß zwar noch nicht, was ich denen sagen soll, aber mir wird schon was einfallen.«
»Davon bin ich überzeugt.«
»Stuart?«
»Ja.«
»Tut mir leid.«
»Mir auch, Stan.«
Crossman drückt auf den Ausschaltknopf und betrachtet noch eine Weile das Gesicht Marias in dem Augenblick, in dem sie auf den Pfleger schießt. Die hassvolle Begeisterung in ihren Augen entgeht ihm nicht. Er kennt diesen Glanz. Bevor er den Krisenraum aufsucht, wählt er Parks’ Nummer. Es klingelt zweimal. Sie meldet sich.
»Ja?«
»Maria? Ich bin’s, Crossman.«
»Aha.«
»Unsere Leute sind in Gerald. Sie kratzen die Reste von den alten Leuten aus den Tapeten, die du umgelegt hast.«
»Ach ja?«
»So kann das nicht weitergehen. Du musst dich stellen, damit wir unter vier Augen über die Sache reden können. Einverstanden?«
»Ja, ja.«
5
Unverwandt hält Maria den Blick auf das Stück Straße gerichtet, das im Licht der Scheinwerfer sichtbar ist. Sie hört Crossmans Stimme nur schwach.
»Maria, ich weiß, dass es dir nicht gut geht und du furchtbar sauer auf mich bist. Ich nehme sogar an, dass du tausend Gründe hast, mich zu verabscheuen. Begreif bitte, dass du Hilfe brauchst und jetzt aufhören solltest, bevor es zu spät ist. Andernfalls wird man es für nötig halten, dich umzubringen. Irgendwann wird man dich stellen, und da du nicht zulassen wirst, dass man dich festnimmt, wird man von der Waffe Gebrauch machen. Möchtest du das?«
»Ja.«
»Hör mal, mein Schatz.«
Marias Atem geht keuchend. Sie beißt sich in die Hand, um das Schluchzen zu ersticken, das ihr in die Kehle steigt, und presst ihre Zähne fest aufeinander.
»Sag nicht Schatz zu mir, Mistkerl! Ich verbiete dir ausdrücklich, mich so zu nennen, verstanden?«
»Maria …«
Sie schnieft und lässt das Fenster herunter. Der Wind fährt ihr durch die Haare, als sie das Telefon hinauswirft. Sie wischt sich die Tränen mit der flachen Hand ab und wirft einen Blick in den Rückspiegel. Gordon hält Holly
fest in den Armen und schläft. Jetzt kommen ihr erst recht die Tränen. Sie lässt ihnen freien Lauf, um den Druck zu vermindern. Sie muss an eine Szene aus ihrer Kindheit denken, unmittelbar nach dem Tod des Ehepaars Parks. Crossman hatte sie am Einfahrtstor zum Milwaukee Drive erwartet, sie war aus dem Wagen des Sheriffs gesprungen und hatte sich ihm in die Arme gestürzt. Er war jetzt der einzige Mensch auf der Welt, den sie kannte. Er roch herrlich nach Vétiver und Tabak. Lange hatte sie geschluchzt, während er sie in den Armen gewiegt und immer wieder gesagt hatte: »Warte nur, mein Schatz, alles wird gut. Ich verspreche dir, dass alles gut wird.«
Genau das störte Maria jetzt an dieser Erinnerung. Nicht die Worte, sondern die Empfindungen dahinter. Crossman liebte sie, hatte sie immer geliebt. Und jetzt, als er endlich versucht hatte, ihr das zu sagen, war es zu spät.
Maria gibt sich Mühe, sich auf das Fahren zu konzentrieren. Seit vier Stunden schon geht es über Schotterwege am Mississippi entlang. Die Aufhängung des Wagens quittiert die Schlaglöcher mit heftigem Knarren. Inzwischen ist sie glückliche Besitzerin eines alten Buick Skylark, dessen vordere Stoßstange von Gummispannbändern am Kühlergrill gehalten wird.
Nach dem Blutbad in der Seniorenresidenz hatten sie Gerald verlassen und irgendwo unterwegs den alten Impala in einen Teich geschoben, dessen Ufer von dichtem Dornengestrüpp und Niederwald umgeben war. Während er Holly nach wie vor in den Armen hielt, hatte Walls zugesehen, wie der Wagen inmitten zerplatzender Schlammblasen versank. Dann hatten sie ihren Weg wortlos zu Fuß fortgesetzt, bis sie an einen Schuppen gelangten, der verlassen zu sein schien.
»Da.«
»Was heißt da?«
Maria hatte auf frische Reifenspuren gewiesen, die am Tor des Schuppens endeten. Sie hatte das Vorhängeschloss mit einem kräftigen Hieb des Griffs ihrer Pistole gesprengt und die Torflügel aufgestoßen. Im Inneren
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