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Die Brut des Bösen - Graham, P: Brut des Bösen - L'Apocalypse selon Marie

Titel: Die Brut des Bösen - Graham, P: Brut des Bösen - L'Apocalypse selon Marie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Graham
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Luft, den Ihr einatmet. Alles Unsichtbare und alles Sichtbare. Alles ist Gäa. »
    »Auch Euer Finger auf meiner Haut?«
    »Nein. Das ist nicht die Macht, sondern ihr Werkzeug.«
    »Ich verstehe nicht.«
    »Ich weiß, Ekm Gila, und das betrübt mich. Ihr hört
Euren Schmerz und bittet Gäa, ihn zu lindern. Bald wird es Euch leichtfallen, das mittels Eurer Gedanken selbst zu tun, aber was werdet Ihr dann gelernt haben, außer der Fähigkeit, Gäas Macht für Eure eigenen Zwecke einzusetzen?«
    »Ihr meint, warum ich den Blitz vom Himmel dazu verwende, ein Feuer zu entzünden, oder das Wasser eines ganzen Meeres, um es zu löschen?«
    »Ja, mein Kind, genau das. Gäa ist in mir, die Ewige ist Gäa, aber ich bin nicht Gäa. Ich bin nichts als ihr Werkzeug. Der Stab des Gehenden, aber nicht der Gehende. Das Blatt, das im Wipfel des Baumes zittert, aber nicht der Baum. Der Wassertropfen, der mit allen anderen das Meer bildet, aber nicht das Meer. Daran müsst Ihr Euch immer erinnern. Falls Ihr das nicht tut und Gäas Macht missbraucht, indem Ihr sie in ihrer Gänze verwendet, wenn ein winziger Bruchteil davon genügt hätte, wird Euch das Feuer vom Himmel verbrennen und das Wasser des Meeres verschlingen.«
    »Weil ich nicht Gäa bin, sondern ihre Dienerin.«
    Im Schatten ihrer Kapuze hatte Alya Steinhaut ge lächelt und Neera ein wenig fester in ihre kräftigen Arme geschlossen. Das Mädchen hatte gespürt, wie sie ihr mit den alten Händen über das Haar strich.
    »So ist es, Ekm Gila. So und nicht anders. Die Pflanzen, aus denen ich den Brei zur Linderung Eurer Verletzung hergestellt habe, sind das genaue Maß der Macht Gäas, das erforderlich war, um Euren Schmerz zu lindern. Die Zeit wird das Übrige tun. Die Zeit und die Geduld.«
    »Man muss die Zeit verstehen, die zum Sein, zum Werden und zum Nichtmehrsein aller Dinge nötig ist.«
    Diese Worte hatte Neera vor sich hin gemurmelt, während sie allmählich in Alyas Armen eingeschlafen war. Sie hatte gemerkt, wie ihr Herz mit dem der Alten im Gleichtakt
schlug. Einen kurzen Augenblick lang, unmittelbar bevor sie einschlief, hatte sie etwas von dem unendlichen Wissen der Verehrungswürdigen erhascht. Ihre Milliarden Erinnerungen, Milliarden Gedanken, Milliarden Kenntnisse und Fertigkeiten, welche die Gesamtheit ihres Wissens ausmachten. In diesem kurzen Augenblick war ihr aufgegangen, dass Alya nicht nur einfach Alya war, sondern zugleich auch alle anderen Verehrungswürdigen, die sich seit Entstehung der Welt immer wieder übertragen hatten, bis sie zu ihr gelangt waren. Alles Wissen, alle Weisheit und die Kraft aller Dienerinnen der Ahnenreihe Alyas. Auf diese Weise hatte Neera im Halbschlaf den ungeheuren erstarrten und unbeweglichen Ozean von Gäas Macht erkannt. Die ganze Schöpfung, alles Davor und Danach, alles, was je existiert hatte, alles, was war, und alles, was sein würde. Unmittelbar bevor sie in den Armen der alten Verehrungswürdigen einschlummerte, war sie mit ihr eins geworden, ging wie sie, summte wie sie vor sich hin, hielt wie sie ein schlafendes Kind in den Armen, ein Kind, das ganz allein die gesamte künftige Macht Gäas in sich barg. Die Gefahr und die Rettung. Die Frage und die Antwort. Das Ende und der Anfang. Alya Ekm Gila.

9
    Neera ist erschöpft. Zu lange schon ist ihre fleischliche Wesenheit von ihrer Hülle getrennt. Sie hört Ekos Herz kaum noch schlagen. Nichts als Stille und der Geruch nach Felsgestein erfüllen die reglose Luft in der Höhle.
    Beim Aufwachen in den Armen der alten Alya hatte Neera gemerkt, dass sie sich den Grotten des siebten Stammes näherten, während der Sonnenuntergang die Klippen feuerrot färbte. Vieles schien sich geändert zu haben. Das
Licht, die Mondlandschaft der Schluchten, der Geruch der Dinge. Auch der Himmel. Als sich dann nach und nach in ihrem Geist die Umrisse ihres Körpers abzeichneten, hatte Neera begriffen, dass nicht die Dinge sich geändert hatten, sondern sie selbst. Sie hatte sich in den Armen der Verehrungswürdigen viel schwerer gefühlt. Trotzdem schritt Alya Steinhaut so munter aus wie zuvor und summte immer noch vor sich hin, als hätten ihr die vielen vergangenen Stunden nicht das Geringste ausgemacht. Oder besser gesagt, als hätten diese Stunden nur wenige Sekunden gedauert. In jenem Augenblick war Neera aufgefallen, dass ihre Arme, Beine sowie der Rumpf länger und ihre Hüften breiter geworden waren. Auch ihre Haare waren gewachsen, und ihre sich wölbende Brust spannte ihr

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