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Die Brut des Bösen - Graham, P: Brut des Bösen - L'Apocalypse selon Marie

Titel: Die Brut des Bösen - Graham, P: Brut des Bösen - L'Apocalypse selon Marie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Graham
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Kleid. Eingeschlafen war sie in Alyas Armen mit sechs Jahren, und als sie das Bewusstsein nahe den Grotten von Neg wiedererlangt hatte, war sie fast zwölf Jahre alt. Die alte Verehrungswürdige war einige Schritte vor dem Eingang stehen geblieben und hatte mit leiser Stimme gesagt: »Ich bin jetzt müde, Ekm Gila. Ich werde Euch Euren eigenen Weg gehen lassen. Habt keine Angst, denn künftig wird Gäa in Euch sein.«
    Nachdem Alya Steinhaut das Mädchen sacht aus ihren Armen entlassen hatte, hatte Neera gehört, wie die Gelenke der Alten knackten, als sie sich wieder aufrichtete. Das ocker- und cremefarbene Abendlicht lag auf den Zügen der Verehrungswürdigen, und Neera hatte begriffen, dass ihre Lehrzeit zu Ende war und Alya sie erneut zu ihrem Stamm gebracht hatte, bevor sie allein in ihr Heiligtum zurückkehrte. Eine Weile waren beide schwei gend stehen geblieben. Dann hatte die Alte das Mädchen auf die Stirn geküsst und ihr eine Lederschnur mit einer Bernsteinperle daran um den Hals gehängt. Als Neera deren Wärme auf ihrer Haut spürte, hatte sie unter Schluchzen gestammelt: »Verzeihung, Mutter.«

    »Verzeihung wofür, mein Kind?«
    »Dass ich weine. Dass ich so schwach bin.«
    »Es ist ganz selbstverständlich, dass es Euch schwerfällt, Ekm Gila. Ihr glaubt, Eure Mutter zu verlieren, doch werdet Ihr bald begreifen, dass ich Euch nie näher bin, als wenn ich fortgegangen bin. Denn künftig werdet Ihr ich sein, und ich Ihr.«
    Unmittelbar, bevor Alya Steinhaut davongegangen war, hatte Neera gespürt, wie sie ihr mit ihren alten knochigen Fingern die Tränen von den Wangen gewischt hatte. Es waren dieselben Finger, die jetzt ihr Gesicht betasten, während sie in der Grotte diese Erinnerung aufleben lässt. Sie öffnet die Augen. Alya sieht sie an. Ihr Blick ist traurig und tief. Auch sie erinnert sich.
    Neera nimmt die Hände der Verehrungswürdigen, deren Finger ihr Gesicht liebkosen. Als sich die Energie der Aïkan in ihren Geist ergießt, erstarrt die Alte. Wie mächtig sie geworden ist! Nahezu unverwundbar. Deshalb hat Gäa sie auserkoren. Sie soll das Ende und den Wiederbeginn aussprechen.
    »Vergiss mich nicht, wenn ich nicht mehr bin, Ekm Gila.«
    »Das verspreche ich, Mutter.«
    Die Verehrungswürdige wendet den Kopf nach hinten und hebt die letzten mentalen Sperren auf, die ihren Geist schützen. Sie spürt, wie Neera ihre Erinnerungen durchgeht. Die junge Frau weiß genau, was sie sucht. Sie hat einen Grad an Macht erreicht, zu dem auch der Blick auf das Unheil gehört. Das höchste Bewusstsein. Sie weiß jetzt, dass Überlebende der Mond leute dem Gemetzel entkommen sind. Sie sieht, wie sie in kleinen Gruppen im Schutz von Bäumen dahinziehen. Sie lächelt, als sie die Gesichter von sieben in Fell gewickelten kleinen Mädchen sieht, die von Hütern wie Bündel auf dem Rücken getragen werden.
Es sind die jüngsten Nachkommen des Stammes. Es ist im letzten Augenblick gelungen, sie vor den Schergen des Erzfeindes zu retten, die darauf aus waren, sie zu töten. Die Überlebenden ziehen nachts dahin und halten sich tagsüber verborgen. Für die Säuglinge führen sie Milch in Lederschläuchen mit sich. Sie graben in der Erde nach Klek-Wurzeln, aus denen sie eine äußerst nahrhafte Brühe kochen, um das Wachstum der Kinder zu beschleunigen. Schon gewinnt der Geist der Kleinen eine Struktur, ihre Augen werden allmählich blau, und ihre Fähigkeiten nehmen Schritt für Schritt zu. Die Hüter trinken das Wasser der Bäche und Flüsse, um sich zu orientieren. Sie halten sich stets an den gewundenen Lauf des Vaters aller Ströme; ihr Ziel sind die mit einem Tabu belegten Gebiete in den ausgedehnten grundlosen Sümpfen an dessen Mündung. Sich dorthin zu wenden, hat ihnen Gäa geboten. Dies Heiligtum ist die letzte Zuflucht der Mondleute.
    Während Neera diese Bilder im Geist der alten Verehrungswürdigen liest, nimmt sie sie in sich auf, um zu verhindern, dass der Erzfeind Kenntnis von ihnen erlangt. Alya sieht sie an. Sie ist jetzt beruhigt. Sie weiß, dass ihr Ende nahe ist. Sie beginnt, mit brüchiger Stimme die Worte der Übertragung zu sagen, und schon bald gesellt sich Neeras helle und kräftige Stimme hinzu, mit der sie jeden Satz der großen Anrufung beendet:
     
    »Gäa ist die Ewige. Die Ewige ist in mir. Nichts stirbt je in Gäa oder geht zugrunde, denn in ihr ruft jeder Tod neues Leben hervor. Jedes Ende ist nichts als der Abschluss von etwas Vorhergehendem. Jeder Abschluss ist der Beginn von

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