Die Brut des Bösen - Graham, P: Brut des Bösen - L'Apocalypse selon Marie
Unternehmen Sie nichts. Ich schicke ein Einsatzkommando.«
4
Maria geht durch die Gänge des Sterbeheims, das sich hinter der Bezeichnung Christian Hospital verbirgt. Hier werden von Schmerzen zerfressene Menschen im letzten Stadium ihrer Krank heit aufbewahrt, die sich vor Qualen winden, weil Morphium bei ihnen nicht mehr wirkt. Sie beschleunigt den Schritt, um dem Stöhnen und den Schreien zu entkommen, die aus den angelehnten Türen dringen. Selbst wenn man diesen Leuten eine für ein Pferd ausreichende Dosis spritzte, würden sie sich noch hin und her werfen und an den Gurten zerren, mit denen man ihre Hand- und Fußgelenke am Bett fixiert hat, damit sie sich nicht verletzen. Ein Stück weiter, ganz am Ende des Gangs, geht es zur Palliativabteilung. Dort warten die Sterbenden, die zu behandeln man aufgegeben hat, auf die Erlösung. Sie bekommen an Schmerzmitteln, was sie brauchen. Ganze Ozeane von Morphium werden in ihre geschundenen Venen gepumpt.
Zimmer 414. Maria reckt sich auf die Zehenspitzen und sieht durch das kleine Fenster zu Ashcroft hin, der auf dem Bett liegt und zu schlafen scheint. Er ist so bleich und dürr, dass es aussieht, als habe ihm jemand eine dünne Wachshaut über das Gesicht gezogen. Maria stößt die Tür auf. Ihre Kehle schnürt sich zusammen, als sie den Geruch wahrnimmt, der im Zimmer herrscht. Die Jalousien sind heruntergelassen. Der Fernseher ist eingeschaltet, ein Dokumentarfilm läuft, ohne Ton. Maria erschauert, als sie die Gurte sieht, die seine mageren Handgelenke halten. Sie sieht flüchtig auf die Tafel am Fuß seines Betts. Morphium wirkt bei ihm nicht mehr.
»Wer ist da?«
Maria hebt den Blick und sieht in Ashcrofts große blassblaue
Augen, die fiebrig zu glühen scheinen. Aber noch etwas anderes liegt darin – Wut. Auch ein wenig Hass. Vielleicht sogar Irresein. Sie lehnt den Stock an die Wand und nimmt das Kopftuch ab. Den Lippen des Todgeweihten entringt sich die röchelnde Frage: »Wer sind Sie?«
»Special Agent Parks.«
Etwas wie ein Lachen kommt aus Ashcrofts Kehle.
»Vom FBI? Das trifft sich gut. Sehen Sie zu, dass man mich sofort aus dem Zeugenschutz-Programm rausnimmt und mein Foto in allen Zeitungen veröffentlicht, damit mich die Killer der Stiftung finden und mich … und mich …«
»›Und mich umbringen‹, wollten Sie das sagen?«
»Ja, genau das.«
»Hören Sie, Ashcroft, wir wollen versuchen, möglichst kurze Sätze zu machen. Ich muss Ihnen ein paar Fragen stellen, dann gehe ich gleich wieder.«
Ashcroft wirft einen Blick zur Morphiumpumpe auf dem Nachttisch, die wegen seiner fixierten Handgelenke für ihn unerreichbar ist. Es sieht aus, als liefe ihm dabei der Speichel im Mund zusammen.
»Die Schweinebande will, dass ich hier ganz langsam eingehe. Sie geben mir zu schwache Dosen und lassen mich einfach krepieren.«
»Morphium wirkt bei Ihnen nicht mehr, Ashcroft. Eine Dosis, die stark genug wäre, um Ihnen Linderung zu verschaffen, würde Sie umbringen. Sind Sie bereit, sich meine Fragen anzuhören?«
»Worum geht es?«
»Um die Stiftung.«
»Was wollen Sie wissen?«
»Alles über die Unterlagen von Angus und die Inschriften, die man im Zusammenhang mit dem Manhattan-Projekt in den Höhlen entdeckt hat.«
»Der gute alte Angus …«
»Was haben Sie bei der Entzifferung der Inschriften herausbekommen?«
»Sie meinen, was Angus rausgekriegt hat? Er hat es eines Abends geschafft, als er allein in seinem Labor in Puzzle Palace geblieben ist, um nach Feierabend weiterzumachen. Es war ein Gewitterabend, als er sein Heureka erlebte. Nur hat man ihm zur Belohnung das Gehirn rausgeblasen. Ich war gerade in Guatemala, als er mit den Akten unter dem Arm verschwunden ist. Er hatte die letzten Inschriften entziffert, diejenigen, die den anderen überhaupt einen Sinn gaben.«
Ein langer Hustenanfall schüttelt Ashcroft. Blut läuft ihm über das Kinn. Als er es sich instinktiv abwischen will, reißt der Gurt seine Hand zurück.
»Worum handelt es sich bei diesen letzten Inschriften?«
»Ich schlage Ihnen ein Geschäft vor, Special Agent Parks.«
»Ich höre.«
»Wenn ich Ihre Fragen beantworte, geben Sie mir die Morphiumpumpe, damit ich endgültig in den Tiefen des Universums verschwinden kann.«
»Ich leiste keine Sterbehilfe. Ich bringe höchstens mal jemanden um.«
»Mein Kind, ich habe Hautkrebs, und meine Lunge ist mittlerweile so angegriffen, dass ich sie mir stückchenweise aus dem Leibe spucke. Sie haben mir nichts zu bieten, was
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