Die Brut des Bösen - Graham, P: Brut des Bösen - L'Apocalypse selon Marie
dreht den Kopf weiter und folgt mit den Blicken dem Wasserlauf, der die Höhle durchquert. Soeben hat er in der Felswand eine Öffnung erkannt, durch die sich das eiskalte Wasser in die Tiefen unter der Mesa ergießt.
6
Die Riesenspinnen haben sich zu Klumpen geballt, um sich vor dem Licht zu schützen. Tausend Feuer tanzen auf den Wänden der Höhle, doch ist dem Archäologen klar, dass die ersterbenden Strahlen des Sonnenuntergangs nicht mehr lange dorthin leuchten werden. Bald wird die Sonne hinter der Klippe verschwunden sein.
Er erhebt sich mit schmerzhaft verzogenem Gesicht und humpelt zu Paddy hin, um den herum Teile der Ausrüstung verstreut liegen. Bald hat er den Zylinder aus Kohlefaser gefunden, den er sucht. Er enthält dreihundert Meter Seil aus verstärktem Nylon, an dem ein leichtes, aber festes Gurtzeug befestigt ist, wie es Bergsteigern als letzte Rettung dient, wenn sie über Steilwände absteigen, nachdem sie sich ihrer übrigen Ausrüstung entledigt haben. Er befestigt es um seine Taille. Das Seil mit dem Gurtzeug und dem Wickelmotor wiegt fünfunddreißig Kilo, er selbst achtzig, also darf er höchstens zwanzig Kilo Material mitnehmen, um das Seil nicht zu überlasten. Er entscheidet sich für eine leichte Erste-Hilfe-Tasche, damit er sich während des Abstiegs Injektionen machen kann, einige eingeschweißte Notrationen sowie zwei frische Batterien für seine Stirnlampe. Nachdem er eine Schachtel Phosphor-Signalstäbe an sich genommen hat, mit denen er seinen Abstieg markieren will, beugt er sich schließlich vorsichtig
über die ins Leere führende Kante, wobei er aus dem Augenwinkel hinüber zu den Vogelspinnen schielt, die wieder angefangen haben, sich zu bewegen.
Eiskalt weht es aus der Tiefe herauf. Vom Wasserfall hört man nicht das geringste Geräusch; er muss also ziemlich weit entfernt sein. Er entzündet einen der Signalstäbe. Das orangefarbene Licht blendet ihn. Er lässt ihn fallen und sieht ihm nach, wie er hell leuchtende Muster an die Felswand wirft, während er in der Finsternis verschwindet. Bald ist die Flamme nur noch ein winziger Punkt, der aufblinkt und erlischt.
Walls wendet sich um. Sicherlich wissen die Vogelspinnen inzwischen, dass sich jemand in der Höhle befindet. Ein Lebewesen voller Saft und Muskeln. Sie schwärmen in alle Richtungen aus, um ihre Artgenossen zu benachrichtigen, die sich zu Tausenden von den Wänden der Höhle auf den Sand fallen lassen. Walls hat keine Wahl mehr. Er schlägt einen Haken in den Fels und befestigt das Ende des Nylonseils daran. Nachdem er geprüft hat, ob der Haken hält, lässt er sich vorsichtig in die Tiefe sinken. Wütend schlägt er auf seine Schultern, um die Vogelspinnen abzuschütteln, die ihm nachgesprungen sind. Ein wahrer Regen behaarter Leiber streift ihn. Nach einer Weile aber scheinen die Tiere aufzugeben. Während sich die Dunkelheit über die Mesa gesenkt hat, schließt sich eine gänzlich andere ewige finstere Nacht um Walls, indem er immer weiter ins Innere der Erde eindringt.
7
Während er Meter um Meter des Nylonseils abwickelt, indem er seinen Bremskarabiner immer wieder löst, betrachtet er die Wände, die sich im Licht seiner Stirnlampe
deutlich abzeichnen. Anfangs war in der Dunkelheit nur ein leichtes Glitzern sichtbar gewesen, als würde der Lichtstrahl von Diamanten zurückgeworfen, die im Fels eingeschlossenen waren. Je tiefer er kommt, desto stärker empfindet Walls die Kälte. Anfangs hatte er das auf seine Verletzung zurückgeführt, dann aber sonderbare Dunstschwaden wahrgenommen, die um den Lichtstrahl seiner Lampe waberten. Erst nach einer ganzen Weile hatte er begriffen, dass es sich dabei um seinen eigenen Atem handelte, der in der kalten Luft kondensierte. Die Wände der Schlucht schienen immer näher zu rücken, und mit großen Augen hatte er gesehen, dass sie zu riesigen Eisklippen wurden, die bis hinab in den Abgrund reichten.
Er arretiert den Bremskarabiner und bleibt eine Weile ruhig hängen. Der Wasserfall neben ihm scheint in Gestalt riesiger Spiralen erstarrt zu sein. Ein Aquarell aus gefrorenem Wasser in der Dunkelheit. Als er seinen Abstieg fortsetzen will, sieht er ein in der Wand gefangenes verzerrtes Gesicht. Er unterdrückt einen Aufschrei. Raureif hängt im Bart des Unseligen, dessen verkrampfte Finger sich ins Eis zu krallen scheinen.
Walls stellt seine Lampe auf volle Leuchtstärke ein. Wohin auch immer er blickt, überall sieht er jetzt Dutzende von Gesichtern und
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