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Die Brut des Bösen - Graham, P: Brut des Bösen - L'Apocalypse selon Marie

Titel: Die Brut des Bösen - Graham, P: Brut des Bösen - L'Apocalypse selon Marie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Graham
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verlief. Walls zeichnete es auf seinem Block ab.
    Das nächste Felsbild bezeichnete die dreihundert Kilometer südlich davon gelegene Stelle, an welcher der Wisconsin in den Mississippi mündet. Noch weiter im Süden, an der Einmündung des Rock River in den Vater aller Ströme, wies ein weiteres solches Bild auf einen vermutlich von Angehörigen jenes Volkes bewohnten Ort hin. Immer weiter folgte Walls’ Finger den langen Windungen des Mississippi südwärts, hielt an der Einmündung des Iowa inne, wo heute New Boston im Staat Illinois liegt, und hundert Kilometer weiter an der des Des Moines bei Keokuk. Nördlich von St. Louis waren zwei weitere, dicht beieinanderliegende Felsbilder zu sehen. Sie bezeichneten offensichtlich die Stelle, an der die eiskalten Wassermassen
des Illinois und Missouri in den Mississippi münden, wodurch dieser so breit wird, dass er fast wie ein Meer zu sein scheint. Und so ging es weiter, von der Einmündung des Ohio bei Filmore in Kentucky über die des Arkansas bei Arkansas City, die des Yazoo bei Vicksburg bis hin zu der des Ouachita unmittelbar vor Baton Rouge – jede dieser Stellen war durch Felsbilder gekennzeichnet. Zum Schluss kam dann der Red River im Kreis Concordia sowie New Orleans mit dem Mississippi-Delta und dem Golf von Mexiko. Als Walls so weit gekommen war, arbeitete sich aus den Tiefen seiner Erinnerung eine sonderbare Bezeichnung herauf: Hüter der Flüsse.
    Die letzte Zeichnung schien auf einen heiligen Ort im Norden Mexikos hinzuweisen: Eine Hochebene war mit demselben Mondsichel-Petroglyphen gekennzeichnet wie die Stellen, an denen die wichtigsten Nebenflüsse in den Mississippi mündeten. Man hätte glauben können, die Hüter der Flüsse hätten sich genötigt gesehen, dort Zuflucht zu suchen. Welche Katastrophe, hatte sich Walls in seinem Motelzimmer von El Paso gefragt, mochte die allem Anschein nach hoch entwickelten Geschöpfe zur Flucht an einen so weit vom Flussbett entfernten Ort inmitten einer der unfruchtbarsten Wüsten der Erde veranlasst haben?

5
    Ruckartig fährt Walls aus dem Schlummer hoch. Etwas Behaartes bewegt sich auf seiner Schulter. Er schlägt danach, und ein Stück weiter fällt eine riesige mexikanische Vogelspinne zu Boden. Während er aufmerksam lauscht, nimmt er in der ganzen Höhle leise Schabegeräusche wahr. Er dreht den Kopf und betrachtet im Schein seiner Stirnlampe den Hang, über den er mit seinem Schlauchboot bis
zum Ufer des unterirdischen Wasserlaufs geglitten ist. Das Blut erstarrt ihm in den Adern. Überall wölben sich Sandhäufchen, aus denen große pelzige Kugeln hervordringen. Er holt mehrere Male tief Luft, um nicht in Panik zu verfallen: Der ganze Sandhaufen ist ein einziges riesiges Nest von Vogelspinnen, die mit Einbruch der Dunkelheit hervorkommen. Die Vorstellung, was geschehen wird, wenn ihn diese Räuber wittern, zieht seine Eingeweide zusammen. Gegenwärtig bilden sie kleine Gruppen und fangen in winzigen Netzen Insekten, die über den Sand laufen.
    Ohne die Spinnen aus den Augen zu lassen, wühlt er in der Erste-Hilfe-Tasche und spritzt sich zwei Dosen Morphium. Die allerletzten Sonnenstrahlen, die draußen auf die Klippen der Mesa fallen, erhellen mit einem Mal die Höhle, sodass er jeden ihrer Winkel erkennen kann. Sie ist deutlich größer, als er angenommen hatte. Eine immense Kuppel für ein Grab von gigantischer Größe. Sein Blick fällt auf von Staub bedeckte Gerippe im Sand, auf verrostete Hellebarden und Rüstungen von Konquistadoren mitsamt ihren Helmen. Ein Stück weiter liegen weitere menschliche Überreste, teils mit Fetzen von Südstaaten-Uniformen, teils mit Sombreros und vor Schmutz starrenden Waffenröcken, wie sie mexikanische Soldaten des 19. Jahrhunderts trugen. Etwa fünfzig Meter von Paddy entfernt entdeckt er eine letzte Gruppe von Toten: ein Dutzend durch ein Seil miteinander verbundener Leichen. Ihre Ausrüstung lässt nicht den geringsten Zweifel daran zu, dass es sich um die Angehörigen von Claybornes erster Expedition handelt. Ein Zittern überläuft den Archäologen, als er entdeckt, dass die Vogelspinnen die Unglücklichen zur Hälfte aufgefressen haben. Während seine Blicke im letzten Schein des Sonnenuntergangs über die Wände der Höhle wandern, sieht er, dass jedes Felsloch, jede Spalte ganze Trauben dieser Spinnen enthält. Unwillkürlich muss er schlucken. Nicht
nur der Sandhang dient ihnen als Nest, sondern die gesamte Höhle – wenn nicht gar die ganze Mesa.
    Er

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