Die Brut des Bösen - Graham, P: Brut des Bösen - L'Apocalypse selon Marie
gesagt.«
Daraufhin hatte ihn der Großvater mit einem sonderbaren Glanz in den Augen angesehen, war ihm durch die Haare gefahren und hatte gesagt: »Ich hab nicht die geringste Ahnung, wovon du da redest, Gordie. Ich würde aber an deiner Stelle aufhören, mir Kakao in die Milch zu rühren.«
Dann hatte er sich abgewendet. Doch hätte Gordon schwören können, dass er es übermütig in den Augen des Großvaters hatte aufblitzen sehen.
Die Stimmen entfernen sich. Das Bild wird undeutlich und verschwindet. Stille. Walls atmet die blauen Gerüche
um ihn herum ein. Seine Wunde hat aufgehört zu bluten. Er hat keine Schmerzen mehr. Er weiß, dass er am Ende seines Weges angekommen ist, wie Flüsse, wenn sie ins Meer münden. Die Mündung des Flusses Walls.
12
Inzwischen hat Walls den letzten Raum des Höhlensystems erreicht. Ein geisterhaftes Licht durchdringt die unbewegliche und staubige Luft. Er versucht, etwas zu erkennen. Das schwache Licht scheint von überall her zu kommen. Dann geht ihm auf, dass die Wände leuchten. Offensichtlich sind die prähistorischen Geschöpfe wegen der hier anzutreffenden phosphoreszierenden Felsformation auf diese Höhle verfallen. Sie mag ein Versammlungsort gewesen sein, oder eine Kultstätte, nach den zahllosen Fresken an den Wänden zu urteilen. In die Wände gehauene Stufen bilden eine gewaltige Rundtreppe, die sich weiter oben im Dunkeln verliert.
Vorsichtig geht er in dem weichen Sand weiter, aus dem der Boden des Raums besteht. Mit einem Mal hat er den Eindruck, dass ein großer rechteckiger und durchscheinender Gegenstand das Licht seiner Lampe zurückwirft und es immer mehr in seine Bestandteile zerlegt, je näher er ihm kommt. Was er anfangs für eine Art Prisma gehalten hatte, das tausendfach Feuer sprüht, ist ein vollendet geschliffener Eismonolith, dessen Oberfläche auf das Licht reagiert wie die Facetten eines Diamanten.
Das Phosphoreszieren des Gesteins scheint in dem Maße schwächer zu werden, in dem die Lichtintensität des Monolithen zunimmt. Er sendet eine immer stärkere Strahlung aus. Es scheint geradezu, als lebe er und erwärme sich. Als Walls nur noch einige Schritte von ihm entfernt
ist, glaubt er, eine darin gefangene Gestalt zu erkennen. Sie weist die Umrisse eines Menschen im Schneidersitz auf. Er erkennt eine sehr alte mumifizierte Frau, deren in der Kälte erstarrtes Gesicht in all den Jahrhunderten vollständig erhalten geblieben ist. Vermutlich sitzt sie seit unvordenklichen Zeiten dort, in die Betrachtung der Leere und der Schwärze ihrer Augen versunken. Sie hat die Hände erhoben, die Handflächen nach außen gekehrt. An ihrem Hals glänzt im Schein der Lampe eine Bernsteinperle wie ein Tropfen aus Gold.
Walls legt die Hände auf eine der Flächen des Eismonolithen. Ein Schauer von Farben ergießt sich in ihn. Hohe Bäume, deren bemooste Stämme am Boden ein Meer aus stacheligen Farnen umgibt. Weit oben verschwinden ihre Wipfel in einem Astgewirr, so dicht, dass der Himmel aus Holz zu bestehen scheint. Ein Wald aus der Urzeit der Welt. Der Geruch nach Borke und Pilzen liegt in dem Hauch frischer Luft, die Walls’ Gesicht umgibt. Unter den bloßen Füßen spürt er Kiefernnadeln. Baumflechte hüllt den unteren Teil seines Leibes ein, der fortfährt, sich zu verwandeln. Seine Gliedmaßen dehnen sich in die Länge, seine Knochen bedecken sich mit kräftigen Muskeln, seine Haut wird hart wie Leder. Sein Puls verlangsamt sich. Er atmet besser, tiefer, freier. Sein Leib ist der eines Athleten, voll Leben und Kraft. Mit einem Lächeln dringt er in die Finsternis ein: Er hat in diesem Geist, der nicht der seine ist, eine Erinnerung wiederentdeckt, so frisch, als sei sie erst wenige Stunden alt. Zwei ineinander verschlungene schwitzende Leiber vor den Flammen eines Lagerfeuers. Seine Hand schließt sich um die Brust einer sehr jungen Frau, die sich an ihn drängt. Sie ist gerade siebzehn Jahre alt geworden und trägt am Hals eine Bernsteinperle, die im Schein des Feuers schimmert. Er spürt, wie sie mit geschickten Fingern sein Geschlecht in das ihre führt. Sanft dringt er in ihren warmen
Leib. Die junge Frau stöhnt, es scheint ihr Schmerzen zu verursachen. Mit langsameren Bewegungen dringt er tiefer ein. Sie bäumt sich auf, bis sich ihr Rücken wölbt. Er spürt, wie sich ihr Geschlecht um das seine zusammenzieht. Sie richtet sich auf und beißt ihn spielerisch ins Ohr. Während er ihr eine Hand auf den Mund legt, um ihre Schreie zu ersticken,
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