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Die Brut des Bösen - Graham, P: Brut des Bösen - L'Apocalypse selon Marie

Titel: Die Brut des Bösen - Graham, P: Brut des Bösen - L'Apocalypse selon Marie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Graham
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Holunderblätter raucht oder Forellen mit der Fliege angelt.«
    »Fressen Forellen denn Fliegen, Opa?«
    »Ja. Aber wir geben ihnen welche, die sie nicht fressen können. Damit kriegt man sie. Dann braten wir sie auf einem heißen Stein. Das kannst du wohl auch nicht, was? Daran ist nur die Schule schuld. Die Leute da ziehen sich Dummköpfe im Anzug ran, die in Plastik eingeschweißte Forellen kaufen müssen, wenn sie welche essen wollen. Willst du das später mal, Gordie? In Plastik eingeschweißte mistige Forellen?«
    »Nein, Opa.«
    »Versprochen?«

    »Versprochen.«
    Walls wischt sich eine Träne ab. Eine winzige Träne des Bedauerns. Er hatte diesen mit seinem Großvater verbrachten Tag des vollkommenen Glücks gänzlich verdrängt. Eine Woche später war der alte Mann ins Koma gefallen. Danach war Walls nie wieder an den Fluss zurückgekehrt. Während er mit den Fingerspitzen sacht über den weichen und warmen Stein fährt, tritt ihm das Bild deutlich vor Augen: der Pick-up, der die letzte Steigung erklimmt, das goldene Band des Pearl River, das durch die Bäume sichtbar wird... Er hört den Wind durch die Föhren streichen und das Wasser des Flusses plätschern. Neben ihm setzt der Großvater seine Angelrute zusammen und bringt eine alte Rolle daran an, deren Mechanismus in der Stille leise klappert. Allmählich füllt sich die Landschaft um sie herum mit Farben, und auch der Umriss des alten Mannes wird deutlicher.
    »He, Gordie, mein Junge, glaubst du wirklich, dass man Forellen fangen kann, wenn man träumt?«
    Gordon blinzelt in die Sonne. Er ist neun Jahre alt. Unter seiner kurzen Jeanshose ist er nackt, und aus dem zerfetzten Stoff seiner Turnschuhe sieht einer seiner Zehen hervor. Am Ufer vollführt sein Großvater sonderbare Achten in der Luft, wobei er der Angelschnur mit kleinen Bewegungen des Handgelenks den richtigen Schwung zu geben versucht. Gordon folgt mit den Augen der grellbunten künstlichen Fliege, die der alte Mann daran befestigt hat. Das Plastiktier streift die Wasserfläche, ohne je zur Ruhe zu kommen. Es fliegt darüber hinweg, scheint einen Augenblick am Rand einer Schaumkrone zu verharren, dann hebt es wieder ab und setzt sich ein Stück weiter wieder aufs Wasser, bevor es neue Luftsprünge macht.
    »Kapiert, Gordie? Es ist genau so, wie wenn du in deiner Trinkschale die Haut von der Milch abschöpfst. Wenn
du dabei eine zu heftige Bewegung machst, reißt du sie in Stücke und musst zusehen, dass du sie kriegst, bevor sie auf den Boden sinkt. Mit der Fliege ist es genauso. Man darf mit der auf keinen Fall richtig ins Wasser rein, denn das machen Fliegen nie, zum Kuckuck! Und wenn du es doch machst, kriegen die Forellen, die ganz schön gewitzt sind, mit, dass du ein kleiner Junge bist, der seine Zeit in der Schule verplempert, statt zu lernen, was wirklich wichtig ist.«
    »Und der Kakao?«
    »Was ist mit dem Kakao, Gordie?«
    »Geht es mit dem Kakao genau so wie mit der Milch?«
    »Klar doch, sonst klumpt er.«
    Das Lächeln des Großvaters wird immer breiter, so als müsse er plötzlich an einen guten Witz denken.
    »Mensch, Junge, du hast es kapiert! Man darf auf dem Wasser nie Klumpen machen, sonst lachen sich die Forellen schimmelig, wenn sie sehen, dass du mit der Angel rumfuchtelst wie ein Kutscher mit der Peitsche.«
    Der alte Mann sieht Gordon mit seinen schwarzen Augen an. Der Junge entdeckt darin einen Anflug von Stolz.
    »Hör mal, Gordie, du bist viel weniger blöd als dein Vater, weißt du das? Dem hab ich tagelang erklären müssen, was du in ein paar Sekunden begriffen hast. Der Kakao? Großer Gott, Gordie! Jetzt, wo wir wissen, dass du was anderes als Erdnussbutter im Kopf hast, musst du mir unbedingt versprechen, nie öfter als zwei Tage in der Woche zur Schule zu gehen.«
    »Versprochen, Opa.«
    »Sonst wirst du noch einer von den Dummköpfen im Anzug, die in die Flüsse pinkeln.«
    Gordon schluckt seinen Speichel herunter. Sein Großvater beobachtet ihn unauffällig.
    »Sag mal, Gordie, du hast doch wenigstens noch nie in den Fluss gepinkelt?«

    »Nein, Opa, nie.«
    »Ehrlich?«« »Äh... zählt ein Bach auch?«
    »Potzdonner, Gordie, natürlich zählt der! Man pinkelt nicht in Flüsse, und auch nicht in Bäche!«
    »Nicht mal in ganz schmale?«
    »Nicht mal in ganz schmale, mein Bester. Was würdest du sagen, wenn dir die Forellen ins Bett kackten?«
    »Aber spucken darf man?« »Ja, das darf man.«
    Ausgelassen fangen beide an, ins Wasser zu spucken. Mit

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