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Die Brut

Titel: Die Brut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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aufgehabt hatte? Der Täter hatte ihn geklaut? Sie hatte ihn in ihrer Verwirrung mitgenommen, als sie um Hilfe gerannt war. Und dann? Weggeworfen. Und wo? Das konnte sie nicht mehr sagen. Vielleicht hatte ihn jemand gefunden und eingesteckt.
    Zwei Männer in weißen Overalls mit Kapuzen gingen auf den Babyjogger zu. Ein dritter Mann in Weiß blieb hinter ihnen zurück. Er suchte den Boden ab, als ob er etwas verloren hätte. Plötzlich bückte er sich, hob, was immer er gefunden hatte, auf und ließ es in einen klaren Plastikbeutel fallen.
    »Das sind die Kollegen von der Spurensicherung«, hörte Tessa die Stimme des Kommissars. »Die Suchmannschaften müssen auch jeden Augenblick eintreffen.«
    Sie würde es nicht durchstehen. Gleich fingen Hunderte von Polizisten mit Hunden an, die Gegend zu durchstreifen. Helikopter mit Wärmekameras würden jeden Winkel des Waldes absuchen. Sie kannte die Prozedur von den Fällen, die sie im Fernsehen verfolgt hatte. Victors Bild würde in allen Nachrichten zu sehen sein, in allen Zeitungen. Die riesige Maschinerie war angelaufen, eine Titanic, die niemand mehr daran hindern konnte, in See zu stechen.
    »Frau Simon? Geht es Ihnen nicht gut? Soll Sie jemand zurück zum Krankenwagen bringen?«
    Die beiden Männer hatten begonnen, den Babyjogger zu umkreisen. Sie sahen aus wie Astronauten, die ihre Helme vergessen hatten.
    »Victor hat wieder so laut geschrien«, hörte Tessa sich murmeln. »Die Hitze hat ihn fertig gemacht. Ich dachte, es tut ihm gut, wenn ich mit ihm ein wenig in den Wald gehe. Er hat es immer gern, im Babyjogger herumgefahren zu werden. Aber heute hat er nicht aufgehört zu weinen.«
    »Victor hat in dem Moment, in dem Sie überfallen wurden, laut geweint?«
    »Ja.« Sie hatte eine kluge Antwort gegeben, jetzt wollte sie nur noch schlafen.
    »Das ist gut.«
    Tessa war nicht sicher, ob sie den Kommissar richtig verstanden hatte.
    »Bis der Täter den Ausgang des Parks erreicht hat, muss er eine ziemliche Strecke mit Victor zurückgelegt haben«, erklärte Arndt Kramer, als habe er ihre Verwirrung bemerkt. »Ein Mensch, der mit einem laut weinenden Kind durch den Park eilt, fällt eher auf, als jemand, der ein schlafendes Kind auf dem Arm hat. Wir finden sicher Zeugen, die etwas gehört haben.«
    Zu ihrer Müdigkeit gesellte sich eine große Übelkeit. »Kann mich bitte jemand zum Wagen zurückbringen?«, fragte Tessa und wischte sich über die Stirn.
    Nun war auch sie ein Astronaut geworden. Tessa hob einen Arm und ließ ihn wieder fallen. Der weiße Overall aus dünnem Kunststoff knisterte unangenehm auf der Haut. Die junge Beamtin vom Erkennungsdienst, die sie zurück in den Rettungswagen begleitet hatte, packte die Joggingshorts und das T-Shirt, das Tessa zuletzt ausgezogen hatte, sorgfältig in Plastikbeutel.
    »Geben Sie mir auch noch die Schuhe?«, fragte die Beamtin. Unter der Kapuze ihres Overalls schauten kurze blonde Haare hervor.
    Tessas Finger waren klamm. Sie brauchte eine Weile, bis sie die Turnschuhe aufgeschnürt hatte. Eine der Schleifen verhedderte sich zu einem Knoten, sie musste die Beamtin bitten, ihr zu helfen.
    Kommissar Kramer hatte ihr am Tatort erklärt, dass sie ihre Kleidung bräuchten. Um festzustellen, ob der Täter irgendwelche Spuren – Haare, Fasern – an ihr hinterlassen hatte. Und dass sie das Profil ihrer Schuhe bräuchten. Um ihre Abdrücke am Tatort auszusortieren. Tessa hatte kaum protestiert. Auf ihre Frage, ob das alles denn wirklich noch hier im Park geschehen müsse, hatte Arndt Kramer sie angesehen und gesagt:
Wenn Sie sich überfordert fühlen, dann natürlich nicht. Aber es würde uns sehr helfen, wenn wir Ihre Kleidung sicherstellen können, bevor noch mehr Sanitäter, Beamte und andere am Verbrechen Unbeteiligte ihre Spuren darauf hinterlassen haben
.
    »So. Das hätten wir geschafft.« Die blonde Beamtin zog den Verschluss des Beutels, in den sie die Turnschuhe gepackt hatte, mit einem Lächeln zu, legte ihn zu den anderen und streifte sich die Kapuze vom Kopf. Tessa hatte sich getäuscht. Ihre Haare waren nicht kurz, es war nur der Pony gewesen, zwischen den Schulterblättern der Beamtin ruhte ein schwerer blonder Zopf.
    »Wollen Sie die nicht wegwerfen? Da sind frische«, sagte die Blonde und zeigte auf eine Schachtel mit Papiertüchern. Tessa griff nach dem zerfaserten Zellstoffknäuel, als sei es ihr liebstes Stofftier, das niemand ihr wegnehmen durfte.
    »Sind Sie sicher, dass die Sanitäter Sie nicht doch

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