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Die Brut

Titel: Die Brut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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zuerst ins Krankenhaus bringen sollen?«
    »Ich will nach Hause.« Der Overall hatte keine Taschen. Sie würde die Taschentücher in der Hand behalten, bis sie zu Hause war und sie ins Klo werfen konnte.
    »Haben Sie ein Handy?«
    Die Beamtin öffnete den Reißverschluss ihres Schutzanzugs und holte ein altmodisches Gerät aus der Gürteltasche, die sie darunter trug.
    Das Telefon klingelte so lange, dass Tessa schon fürchtete, die Mailbox würde antworten. Als sie endlich Sebastians Stimme hörte, war ihr Hals so eng, dass sie nichts sagen konnte. Wortlos hielt sie der Beamtin das Handy hin. Die nahm es widerstrebend.
    »Guten Morgen?« Die Stimme der Beamtin klang unsicher. Nichts Beruhigendes, nichts Festes im Ton. Am liebsten hätte Tessa ihr das Handy wieder entrissen. Sie hörte Sebastians Stimme, ohne zu verstehen, was er sagte.
    »Hier spricht Tanja Sabritz, ich arbeite bei der Kripo. Sind Sie mit Frau Simon befreundet?«
    Tessa war sicher, dass Sebastian noch einmal seinen Namen genannt hatte, wie konnte diese Frau nicht wissen, dass er ihr Mann war?
    »Verstehe. Ich fürchte, ich habe schlechte Nachrichten für Sie, Herr Waldenfels.« Die Beamtin schaute Tessa an. Tessa starrte zurück. Was erwartete sie von ihr? Aufmunterung?
    »Ihre Frau ist heute Morgen beim Joggen überfallen worden. So wie es aussieht, wurde Ihr Sohn entführt.«
    Tessa sprang auf und riss der Beamtin das Telefon aus der Hand.
    »Sebastian … Sebastian …«
    »Tessa. Um Gottes Willen. Bist du in Ordnung?«
    »Victor.« Sie schluchzte.
    »Bist du verletzt?«
    Sebastians Stimme klang so weit weg, dass Tessa für einen Moment das Gefühl hatte, er befände sich in einem anderen Sonnensystem, von dem kein Weg mehr in ihre Welt zurückführte.
    Die Morgensonne schien durch die großen Fenster ins Schlafzimmer. Ein Flugzeug schnitt links oben ein kleines Dreieck aus dem blauen Himmel. Seitdem sie eingezogen waren, sprachen sie davon, Rollos machen zu lassen. Tessa erinnerte sich an den Sonntag, an dem sie gemeinsam die Fenster vermessen hatten. Wo Sebastian beinahe von der Leiter gefallen wäre. Wo sie sich aufs Bett geworfen und dabei den Zollstock zerbrochen hatten. Der Zettel mit den Maßen musste immer noch in irgendeiner Schreibtischschublade liegen.
    Tessa wandte sich ab. Vor ihren Augen tanzten Lichtpunkte.
    »Hast du mal noch ein Sechser-Kabel für mich«, hörte sie eine Männerstimme im unteren Stockwerk rufen.
    »Hinten in der Kiste.«
    »Ich zieh hier jetzt die Drei durch.«
    Tessa betrachtete ihren nackten Körper in dem großen Spiegel am Kleiderschrank. Sie hatte nicht duschen wollen. Die Polizeipsychologin hatte sie überredet. Lieber wäre sie gerannt, die Treppen hinunter, durch den Wohnbereich, um den Esstisch herum, wieder die Treppen hinauf und immer weiter. Sie war in ihrer eigenen Wohnung gefangen. Zwei Beamte hatten sie nach Hause gefahren. Ihr Mercedes stand noch immer auf dem Parkplatz am Wald. Techniker hatten damit begonnen, im unteren Stockwerk Kabel zu verlegen und Geräte zu installieren, die alle damit zu tun hatten, Anrufe aufzuzeichnen und zurückzuverfolgen. Die Polizeipsychologin hatte den Anrufbeantworter abhören wollen. Die einzige Nachricht war eine von der Reinigung gewesen. Frau Simons Anzüge seien zum Abholen bereit.
    Tessa griff nach dem T-Shirt, das von letzter Nacht auf dem Boden lag. Erst als sie die Shorts zuknöpfte, entdeckte sie die braunen Schmierer auf der Vorderseite.
Jetzt muss ich schon wieder waschen, zwei Maschinen am Tag, seitdem das Kind im Haus ist, kommt keine Haushälterin mehr hinterher.
Sie zog das T-Shirt aus und warf es zusammen mit den Shorts in die Wäschetonne im Bad.
Was regst du dich auf. Du hast eine große Waschmaschine und einen großen Wäschetrockner. Du kannst es dir leisten. Für dich ist das alles kein Problem
. Als sie den Deckel schloss, fiel ihr ein, dass sie die Kleider mit den braunen Spuren nicht in der Wäschetonne lassen durfte. Sie konnte die Sachen in der Badewanne verbrennen. In Filmen verbrannten Leute immer Dinge in der Badewanne. Manchmal sogar im Waschbecken. In ihrem Wochenendkoffer fand sie einen alten Hotel-Wäschesack.
    »Frau Simon? Ist alles in Ordnung?« Die Stimme der Polizeipsychologin klang so nah, als ob sie bereits am Fuße der Treppe stehen würde.
    »Ja. Danke.«
    Diese Frau sollte unten bleiben!
Es war
ihre
Wohnung. Und in ihrer Wohnung konnte sie tun und lassen, was sie wollte.
    »Es ist wirklich alles in Ordnung.«
    Tessa

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