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Die Brut

Titel: Die Brut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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Augenblicken gestanden hatten. Oder war es noch ein wenig enger?
    »Die sagen, sie wollen alle Fan- und Hatemail haben, die in letzter Zeit für dich angekommen ist. Aber du weißt doch, dass wir den schlimmsten Schrott immer gleich wegschmeißen.«
    »Das weiß ich, Attila«, sagte Tessa, und es klang so absurd tröstend, dass sie fast gelacht hätte.
    »Sie haben gesagt, dass sie den Sekretariatscomputer mitnehmen wollen. Du weißt ja, was das heißt. Aber gut. Vielleicht schaffen sie es wenigstens, ein paar von den gelöschten Mails wieder hochzuholen.«
    Sebastian und Feli verschwanden in Richtung Küche. Tessa hörte sie wispern.
    »Wenn es sonst noch irgendetwas gibt, was ich für dich tun kann … Ich bin sicher, Victor ist heute Abend wieder bei euch.«
    Angestrengt dachte Tessa nach, wie sie mit den Abhörleuten in der Leitung Attila die nächste Frage stellen konnte, als er das Thema von selbst anschnitt.
    »Wir haben mit Tissenbrinck gemeinsam beschlossen, heute Abend noch einmal die Doku über die Langzeitarbeitslosen auszustrahlen, die letztes Frühjahr gelaufen ist.«
    Tessa spürte, wie sich Widerspruch in ihr regte.
    Aber da sagte Attila schon: »Erst haben wir überlegt, die Folge mit Nuala zu wiederholen, irgendwie erschien uns das dann doch nicht richtig. Heute Abend sollte es kein
Auf der Couch
geben.« Wieder erklang ein schluchzendes Geräusch.
    »Es tut mir so Leid … Mein Patenkind … Es tut mir so Leid …«
    Noch immer hörte Tessa Feli und Sebastian in der Küche wispern. Noch immer konnte sie nicht verstehen, was die beiden redeten. Es klang nach einer vergleichsweise ruhigen Unterhaltung.
    »Attila«, setzte Tessa an.
    »Ja, ja«, begriff dieser sofort, »wir machen jetzt besser Schluss. Es ist nicht gut, wenn wir so lange die Leitung blockieren. Vielleicht ruft dieses Schwein ja endlich an. Ich drück euch alle Daumen. Tschüss. Tessa. Tschüss.«
    In der Leitung ertönte ein doppeltes Knacken, das erste, als Attila auflegte, das zweite, als die Aufzeichnungsgeräte der Polizei stoppten. Langsam legte Tessa den Hörer weg.
    Feli und Sebastian waren noch immer in der Küche. Wahrscheinlich hatten sie nicht mitbekommen, dass Tessa das Gespräch beendet hatte. Eigentlich war es nur rücksichtsvoll von den beiden, dass sie sich zurückzogen, wenn Tessa mit ihrem Produzenten telefonierte. Tessa machte einige Schritte in Richtung Esstisch.
    »Du hast doch jetzt wirklich andere Sorgen«, hörte sie ihre Schwester flüstern, bevor sie so weit um die Ecke gebogen war, dass sie in den Küchenbereich hineinschauen konnte.
    »Wir kriegen das schon hin.« Sebastians Stimme. »Ich verspreche dir, wir kriegen das hin.«
    Tessa hatte plötzlich keine Lust mehr, in die Küche zu gehen. Die beiden redeten sicher über irgendein Filmproblem. Feli war unglücklich mit ihrer Frisur in einer bestimmten Szene. Unglücklich mit dem Licht. Unglücklich mit ihrem Partner. Es war ganz normal, dass die beiden versuchten, sich mit solch banalen Themen von der Tragödie abzulenken. Kein Mensch konnte stundenlang
Fuck
schluchzen.
    Tessa setzte sich auf das graue Fernsehsofa. Es war kurz nach eins, das wichtigste Mittagsmagazin hatte gerade begonnen. Ihre Geschichte musste der Aufmacher sein. Mit der freien Hand griff Tessa nach der Fernbedienung. Sie hatte sich nicht getäuscht. Kaum war der Bildschirm erwacht, sah sie die Frau wieder, die das Schicksal zu ihrer Botin gemacht hatte. Sie sah noch heruntergekommener aus, als Tessa sie in Erinnerung gehabt hatte. Erst jetzt bemerkte sie, dass die Frau himmelblaue Leggings trug und ein T-Shirt, auf dem stand:
Küss mich, ich bin ein Frosch
. Tessa stellte den Ton lauter.
    »Also ich hab ja an alles Mögliche gedacht. Aber an so etwas – nee, dass so etwas passieren kann. Man ist ja nicht mehr sicher in seiner Haut. Das habe ich grad gestern wieder zu meinem Mann gesagt: Keiner ist sicher in seiner Haut.« Bei dem letzten Satz sprang der Hund an der Frau hoch und stieß seine Schnauze zwischen ihre Beine.
    Tessa starrte auf den Bildschirm. Im Hintergrund sah sie den Rettungswagen. Den Rettungswagen, in dem sie selbst sitzen musste. Eine blonde Reporterin – Tessa hatte beim letzten Sommerfest des Senders kurz in einer Runde gestanden, in der diese das Wort geführt hatte:
Und ich dachte, wir wären alle arbeitslos! Wisst ihr, warum die im Arbeitsamt noch keine Lounge aufgemacht haben? Weil die ganzen dicken Autos nicht in die Parklücken vor dem Gebäude passen,

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