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Die Brut

Titel: Die Brut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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Sebastian untergehakt. Seine
Macbeth
-Nervosität war in den letzten Tagen ins Unerträgliche gestiegen.
Das ist so scheißschwer
, hatte er immer wieder gesagt,
das Schwerste
.
    »Wann soll diese Foto-Geschichte eigentlich genau passieren?«, fragte er jetzt.
    »Wir haben noch keinen genauen Termin verabredet. Vermutlich in der letzten Februarwoche.«
    »Ich bin nicht sicher, ob ich dich verstehe.« Sebastian wischte eine Hand voll Schnee von einer Bank und warf den Schneeball weit auf den Fluss hinaus. Er schaute ihm nach, wie er auf einem Eisstück zerstob. »Bis gestern hattest du Angst, dass die Leute dich nur noch wegen deines Bauchs anstarren, und jetzt willst du dich zum Schwangerschafts-Pin-up machen?«
    »Ich lasse mich nicht für den
Playboy
fotografieren.
Now!
ist hip.«
    Tessa vergrub ihre Hände tiefer in dem Pelzmuff, den sie gekauft hatte. Noch nie hatte sie einen Muff besessen. Es tat gut, mit Sebastian am Fluss spazieren zu gehen. Zum Joggen war ihr die Strecke stets zu belebt, der Straßenverkehr zu nah gewesen. Aber jetzt, wo es langsam dunkel wurde und nur wenige Sonntagsautos den höher gelegenen Quai entlangrollten, fand sie den Ort sonderbar schön. Sie blieb stehen, um Sebastian zu küssen. Seine Lippen waren kalt auf ihrem Mund.
    »Deine Handschuhe sind ja ganz nass.«
    »Das macht nichts. Mir ist sowieso zu warm.« Sebastian stopfte die Handschuhe in die Tasche seines Lammfellmantels. »Wenn diese Magazinfritzen so okay sind, warum wollen sie dich dann erst in ein paar Wochen fotografieren?«
    Tessa gab ihm mit der Hand, die sie aus dem Muff gezogen hatte, einen Nasenstüber. »Verstehst du irgendwas von Journalismus? Natürlich ist es spannender für die, wenn sie nicht nur über eine erfolgreiche Talkmasterin, sondern über eine erfolgreiche Talkmasterin und angehende Mutter schreiben können.«
    Zwei Mädchen kamen ihnen entgegen, Schlittschuhe um den Hals, die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben. Auf dem Baggersee in Tessas Kaff waren im Winter alle Schlittschuh laufen gegangen. Sie selbst war eine mäßige Läuferin gewesen, hatte sich nicht viel daraus gemacht. Der Gedanke, in sieben, acht Wintern eine Tochter zu haben, die sie zum Schlittschuhlaufen mitschleppte, ließ sie hingegen lächeln. Sie schaute Sebastian zu, der Wurfschnee suchte. Ein älteres Paar kam ihnen entgegen, Mann und Frau mit Pelzkappen, die Frau sah Tessa an, unverhohlen, neugierig, dann stieß sie den Mann in die Seite und flüsterte ihm etwas zu.
    »Irgendwann wäre der Presserummel sowieso losgegangen. Allein gestern haben zwei Redaktionen angerufen, die mich als Gast in ihren Talkshows haben wollen.«
    Sebastian hob einen Kiesel auf und ließ ihn über die Eisschollen hüpfen.
    »Prima kannst du das – ganz prima«, wollte Tessa sagen, aber das letzte Prima wurde von einem Schrei überrollt.
    »Was ist?« Sebastian ließ den Stein, den er gerade aufgehoben hatte, fallen und fuhr herum.
    Tessa hatte beide Hände aus dem Muff gezerrt. Mit der Linken stützte sie sich gegen einen Baum, die Rechte hielt ihren Bauch. Sie atmete tief aus und winkte ab. »Ist alles okay. Das Kleine hat gerade eine neue Trittkombination entdeckt.«
    Sebastian lachte. Er ging vor Tessa in die Knie, öffnete einen Knopf ihres Daunenmantels und klopfte vorsichtig gegen ihren Bauch.
    »Hey, Karatemeister. Wir lieben dich auch, wenn du ohne schwarzen Gürtel zur Welt kommst.« Er legte seine Hand flach auf ihren Bauch. »Aber wenn jetzt grad Training ist, dann los. Nochmal. Sparring. Zeig’s mir.«
    Tessa strich ihm lachend durch die Haare. »Kindskopf. Du kannst von ihren Turnübungen noch gar nichts mitkriegen.«
    »
Ihren
Turnübungen?« Sebastian richtete sich auf. »Hast du jetzt doch eine von diesen Fruchtwasseruntersuchungen machen lassen?«
    »Nein. Das ist mir nur rausgerutscht.« Er sah sie so erschrocken an, dass sie ihm einen Kuss gab. »Der Ultraschall ist erst nächste Woche. Aber irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, dass es kein Mädchen wird.«
    »Wieso?«
    »Weiß nicht. Einfach so. Es fühlt sich nach Tochter an.« Sie malte mit dem rechten Stiefel ein X in den Schnee. »Hättest du lieber keine Tochter?«
    »Das ist doch egal.« Er nahm Tessa in den Arm, um weiterzugehen. »Hauptsache gesund.«
    Sie fuhr in die Höhe. Sie war durch eine fremde Stadt gelaufen, ein Mann hatte sie verfolgt:
Hören Sie mir zu! Hören Sie mir doch erst einmal zu!
hatte er die ganze Zeit gerufen, aber sie war immer weiter gerannt.

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