Die Buchmagier: Roman (German Edition)
angespannt. »Wenn sie mit dieser Art von unbeherrschter Wut über uns hereingebrochen wären, hätte ich sie auseinandergenommen.«
Ich schloss die Augen und lauschte den auf der Grand River Avenue vorbeirauschenden Autos. »Wieso hat niemand etwas gehört?«
»Es ist ziemlich einfach, jemanden am Schreien zu hindern«, schaltete sich Ted von der anderen Seite der Tür ein. »Man zerquetscht ihm mit einer Hand den Kehlkopf. Wenn man auf Messer steht, sticht man ihm in die Lunge. Und wenn man in der glücklichen Lage ist, etwas von den entsprechenden Vampirgaben zu haben, kann man seine Gedanken kontrollieren.« Er machte einen Schritt zurück und hob die Hände. »Hey, du wolltest es doch wissen, Mann!«
Ich starrte Ted an und dann erneut die Blutflecken auf Wänden und Decke. Ich ließ mich neben dem Tisch auf alle viere nieder. Schwache Konturen deuteten an, wo Blut sich in Lachen auf dem Linoleum gesammelt hatte. Ted konnte kaum den Raum betreten, ohne die Gewalt über sich zu verlieren.
»Welche Art Vampir kommt herein, ohne einer Einladung zu bedürfen, tötet ohne Hemmungen, aber trinkt das Blut seines Opfers nicht? «
»Engt das die Möglichkeiten ein?«, fragte Lena.
»Allzu sehr!« Ich schlug mit der Faust gegen die Wand. »Keine der Spezies, die im Mittleren Westen leben, passt!«
»Ein Vampir ist es aber trotzdem.« Ted machte wieder einen einzelnen Schritt auf die Küche zu. Seine Augen wurden strahlend rot. Lena nahm ihre Bokken in die Hände, und ich hörte das verräterische Zischen von Klecks’ Flammen. Ted fauchte und wich unter Kopfschütteln zurück.
»Was ist?«, fragte Lena.
Ted rieb sich übers Kinn. »Du weißt, wie ich all die Jahre am Leben geblieben bin, Isaac?«
»Indem du dich in einem Keller versteckt hast?«
Er ignorierte die Spitze. »Instinkt! Reiner, animalischer Instinkt. Sobald ich diesen Raum betrete und einen ordentlichen Hauch von dem Ding abkriege, das deinen Freund getötet hat, dann raten mir diese Instinkte, so weit wie möglich abzuhauen! Ihr wärt schlau, wenn ihr dasselbe machen würdet.«
»Aber riechen kannst du es?«, vergewisserte ich mich. »Das bedeutet, du kannst es auch verfolgen!«
Sein tierisches Knurren schwächte sich zu einem Ausdruck des Abscheus ab. »Ach, Scheiße! Das hätte ich nicht sagen sollen! Ja, ich kann es verfolgen.«
Ich drehte mich fort vom Blut, obwohl ich bezweifelte, dass ich das Bild jemals aus meinem Kopf verbannen könnte. Der Vampir musste von Blut regelrecht durchnässt gewesen sein. Er konnte nicht einfach davonspazieren, ohne Aufmerksamkeit erregt zu haben. Andererseits … manche Vampire konnten sich so schnell bewegen, dass das menschliche Auge ihnen nicht folgen konnte, besonders nicht nachts. »Gehen wir!«
»Ich werde das Ding verfolgen«, sagte Ted, »aber sobald wir es gefunden haben, seid ihr auf euch allein gestellt!«
Ich zog meinen Mantel gerade und fand Trost im Gewicht meiner Bücher. »Du findest es. Danach übernehmen wir.«
Kapitel 7
Ich war nicht überrascht, als Ted uns auf den Campus führte; geradewegs auf die Überreste der MSU-Zentralbibliothek zu. Ein toter Pförtner und ein zerstörtes Archiv in derselben Stadt – wie konnte da kein Zusammenhang bestehen?
Der Einbruch der Nacht erlaubte Ted kräftiger auszuschreiten, das Dunkel ließ ihn irgendwie größer wirken. Er paffte beim Gehen eine Zigarette; anscheinend beeinträchtigte das Rauchen seine Fähigkeit, dem Geruch des anderen Vampirs zu folgen, nicht. »Das ist eine schlechte Idee«, murmelte er.
Ich hatte die Bibliothek der Michigan State University als imposante, vierstöckige Festung aus Stein und Glas in Erinnerung, erbaut auf dem Nordufer des Red Cedar River. Als Studienanfänger hatte ich mich im zweiten Stock einmal hoffnungslos verirrt, als ich versuchte, einen Zeitschriftenartikel über Jacques Derridas Beitrag zur Literaturtheorie ausfindig zu machen.
Der Angriff hatte das ganze Gebäude in Schutt und Asche gelegt.
Straßen waren gesperrt; der Geruch nach Rauch und Staub nahm einem noch immer fast die Luft zum Atmen. Ein hastig errichteter Maschendrahtzaun umgab die Ruine. Gelbes Warnband war durch einen Zaun geflochten worden, der einen Berg zerbrochener Ziegelsteine und verbogenen Metalls umschloss. Unversehrte Bereiche von Mauer und Boden ragten in willkürlichen Winkeln aus dem Haufen. Zerbrochenes Glas glitzerte auf der Straße, beleuchtet von enormen Halogenlampen, die um den Rand herum aufgestellt waren. Generatoren
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