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Die Buchmagier: Roman (German Edition)

Die Buchmagier: Roman (German Edition)

Titel: Die Buchmagier: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim C. Hines
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selbst stritt. Er redete in heftigen, wütenden Sätzen, deren Lautstärke mal anschwoll und mal absank wie bei einem kaputten Radio. Ich versuchte etwas zu sehen und wurde mit dem Bild eines vagen, männlichen Umrisses belohnt. Ich musste mich konzentrieren, um die Einzelheiten zu ergänzen. Er war weiß, war schlank, trug einen dreckigen Overall und schwere Stiefel. Eine gezackte Narbe zerklüftete die Seite seines Kopfs und Gesichts.
    »Meinst du, ich höre dich nicht?« Er ergriff eine Hand voll Bücher, knurrte wütend und warf sie mit einer missachtungsvollen Gleichgültigkeit beiseite, die mich zusammenzucken ließ. Kein echter Libriomant würde Bücher so grob behandeln! »Ständig beobachten. Ständig spionieren. Die Seiten aus meinem Gehirn reißen!«
    Dies war nicht Johannes Gutenberg. Die Stimme war mir nicht vertraut, und ich bekam den Sprecher noch nicht scharf genug, um ihn zu identifizieren.
    Seine Finger schlossen sich um Tollwut , und sein Tonfall veränderte sich, wurde tiefer. »Ich sehe Sie, Isaac!«
    Mein Verstand arbeitete fieberhaft. Der Wahnsinn, dass ich mit jemandem durch ein Buch rede. Oh Scheiße, er wird mich umbringen! Wie zum Teufel komm ich hier raus?
    Er murmelte etwas auf Latein, und ich sah die Worte, wie hastig hingekritzelte Stricke, die nach außen schossen. Er versuchte, das Buch wieder zu verschließen, mit mir darin!
    »Wer sind Sie?«, fragte ich mit Nachdruck, indem ich die Frage mit aller Kraft projizierte, die ich aufzubringen vermochte.
    Er zögerte, und ich lauschte … Ich spürte andere Stimmen, die zu antworten versuchten. James Moriarty. Jakob Hoffman. Doctor Hannibal Lecter. Ernst Stavro Blofeld. Norman Bates.
    Es waren noch mehr, aber die ursprüngliche Stimme schrie sie nieder, kämpfte darum, sich Gehör zu verschaffen. Noch mehr Latein schlängelte sich auf mich zu. Er nahm einen Stift und kritzelte die Wörter auf die Seiten, noch während er sie aussprach.
    Ich floh und suchte die Magie in der Geschichte. Wenn ich der magischen Strömung des Killers bis zu ihm folgen konnte, müsste ich auch imstande sein, die Spur zurückzuverfolgen, die ich selbst hinterlassen hatte, als ich in das Buch gegriffen hatte. Doch bevor ich sie finden konnte, stieß eine andere Präsenz von unten mit mir zusammen.
    Ich schrie, nur um zu erleben, wie meine Furcht verschlungen und wieder über mir ausgekippt wurde, tausendfach verstärkt. Ich konnte mich nicht bewegen. Ich konnte nicht denken. Ich klammerte mich an mir fest, als diese Flut alles mit sich riss, was ich war. Erinnerungen, Träume, alles zerbröckelte wie eine Sandburg am Strand.
    »Isaac!«
    Die Silben hatten keine Bedeutung, aber instinktiv langte ich hinaus, wie ein Säugling, der nach der Mutter greift.
    Ich riss die Augen auf. Mein Gehirn rebellierte, während es versuchte, sich wieder in einer physikalischen Welt aus Licht und Materie zurechtzufinden. Mein Hals war wund. Lena saß neben mir, rüttelte an meiner Schulter und schrie, aber über meine eigenen Schreie konnte ich sie kaum hören. Mir schwand die Sicht, und ich merkte, wie ich zur Seite kippte.
    Starke Hände fingen mich auf und legten mich behutsam hin. Mein Körper war starr, die Muskeln von Schmerzen verkrampft, und ich konnte die Spannung nicht abschütteln. Ich merkte, dass diese andere Präsenz mir durch das Buch folgte. Ich wusste nicht, was er mir nachgeschickt hatte oder auf welche Weise er das angestellt hatte. Alles, was ich wusste, war, dass ich wegkommen musste, dass ich es daran hindern musste, mir zu folgen.
    Meine Hände waren leer. Wo war das Buch?
    Dort, weggeworfen auf dem Boden. Ein Stück weiter weg stand Klecks, eingehüllt in orangefarbenes Feuer. Ich zeigte auf das Buch und schrie etwas, was ich nie für möglich gehalten hätte: »Verbrenn es!«
    Klecks konnte kein Englisch verstehen, aber Entsetzen verstand er nur zu gut. Er sauste zum Buch, sprang auf den Einband und tanzte wie ein Derwisch darauf herum, bis die Seiten sich entzündeten.
    »Isaac, sieh mich an!« Lena hielt mein Gesicht schützend in beiden Händen; mit großen Augen forschte sie in meinen. »Was ist passiert?«
    Ich schauderte. Schluchzer ließen meinen Körper erbeben. Ich klammerte mich an sie und versuchte, der Erinnerung daran, verzehrt zu werden, den Zugang zu meinem Verstand zu verweigern, der Erinnerung an unmenschlichen Zorn und Hass, die mich ertränkt hätten.
    Sie wiegte mich und fuhr mir mit der Hand durchs Haar. »Du bist in Sicherheit!«,

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