Die Buchmalerin
sprechen. Was hat das zu bedeuten?«, brach es aus der Nonne hervor.
»Die hohen Herren und Soldaten sind in den Kapitelsaal gegangen?« Das Herz der Äbtissin klopfte rascher und Angst stieg in ihr auf. Sie drängte sie zurück.
»Kommt mit!«, forderte sie die Schwestern barsch auf.
Kurz darauf betrat sie den Kapitelsaal, dessen gewölbte Decke schlanke Säulen stützten. Die Wände umgab dunkles Gestühl. An der Stirnseite des Raumes befand sich ein hochlehniger Stuhl. Seit Jahrzehnten pflegte sie dort während der Versammlungen der Benediktinerinnen zu sitzen und die Geschicke der Abtei zu leiten. Enzio von Trient ging mit raschen, ungeduldigen Schritten auf und ab. Der Kölner Erzbischof wirkte besorgt und bekümmert.
Heinrich von Müllenark mag es unangenehm sein, mit mir in Streit zu geraten, dachte die Äbtissin, während sie mit hoch erhobenem Kopf durch den Saal schritt. Aber wirklich beistehen wird er mir nicht.
Soldaten hatten sich an beiden Seiten des großen Raums aufgestellt. Die dunkleren südländischen Gesichter von Enzios Männern wirkten unbeteiligt. Unter ihnen befand sich auch, wie Adelheid rasch registrierte, ein muskulöser, kahlköpfiger Mann. Heinrich von Müllenarks Soldaten dagegen schienen sich nicht recht wohl in ihrer Haut zu fühlen.
Als die Äbtissin die Stirnseite des Saales erreicht hatte, blieb sie stehen und bedeutete den Schwestern mit einem Wink, sich um sie zu scharen. Sie nickte Heinrich von Müllenark kurz zu, ehe sie sich kalt an Enzio von Trient wandte: »Was fällt Euch ein, mit Bewaffneten in mein Kloster einzudringen? Ich gehe davon aus, dass dies auf Eure Veranlassung hin geschah und nicht auf die des Erzbischofs.«
»Ihr sollt eine Frau in Eurem Kloster aufgenommen haben, die der Ketzerei verdächtig ist. Das ist Grund genug«, gab der Kardinal ebenso schroff zurück.
Die Äbtissin überlegte hastig. Hatte Luitgard die fremde Frau und sie verraten? Freiwillig sicher nicht … Und wenn Enzio nur ein falsches Spiel versuchte und sich seiner Anschuldigung nicht wirklich sicher war? Er war ein Spieler – und ein guter dazu …
»Das entspricht nicht der Wahrheit«, entgegnete sie ruhig.
Die Miene des Kardinals blieb unbewegt. Aber ein leichtes Flackern in seinen Augen verriet ihn. Er hat es also nicht sicher gewusst, ging es der Äbtissin durch den Kopf. Bevor sie jedoch Erleichterung darüber empfinden konnte, hörte sie neben sich ein Rascheln von Gewändern. Schwester Gunhild trat vor. Auf ihren blassen Wangen zeichneten sich rote Flecken ab.
»Am Tag, ehe die Beginen unter dem Verdacht der Ketzerei festgenommen wurden, kam eine Frau in unser Kloster. Sie sollte in der Küche helfen«, berichtete sie mit hoher spröder Stimme. »Seit die Menge gegen das Haus in der Stolkgasse zog, ist sie spurlos verschwunden.«
In der darauf folgenden Stille ertönte nur das leise Klirren von Metall, wenn einer der Soldaten sich bewegte. Die Äbtissin war nahe daran, die Schreiberin anzufahren, dass sie den Mund halten solle, beherrschte sich jedoch. Sie würde Schwester Gunhild ohnehin nicht mehr aufhalten können.
»Wie sah diese Frau aus?«, wandte sich Enzio schließlich an die Nonne. »Hätte man sie, wenn sie entsprechend gekleidet gewesen wäre, für einen Jungen halten können?«
»Nun, sie war sehr mager und nicht sehr groß. Eher hässlich … Das Auffallendste an ihr waren ihre Augen, sie hatte einen irgendwie unzüchtigen, gottlosen Blick …« Die Schreiberin besann sich. »Und ja … Wenn die Frau entsprechend gekleidet gewesen wäre, hätte man sie für einen Knaben halten können.«
Die Äbtissin bemerkte, dass der Kardinal rasch zu dem muskulösen, kahlköpfigen Mann hinschaute, der leicht nickte.
»Was wisst Ihr noch über die Frau?«, forschte Enzio von Trient weiter nach.
»Sie hatte einen Mantel aus grober Wolle an, so wie ihn die Armen tragen.« Die Miene der Nonne spiegelte tiefe Missbilligung. »Aber sie drückte sich gewandt aus, mit einer Sprachfärbung, als ob sie aus dem französischen Königreich stammte und dort eine gute Erziehung genossen hätte. Und sie konnte schreiben.«
»Tatsächlich … Eine Frau, deren Sprache einen französischen Beiklang hat, die niedere Arbeiten ausführen soll und doch schreiben kann …« Enzios Stimme war wachsam und besorgt. Die Stimme eines päpstlichen Legaten, der dem Unwesen der Ketzerei unbedingt Einhalt gebieten will. »Wisst Ihr sonst noch etwas über die Frau? Habt Ihr noch etwas an ihr bemerkt,
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