Die Buchmalerin
was Euch sonderbar erschien? Seit mehreren Wochen narrt sie die Inquisition. Um der Reinheit des Glaubens willen ist es notwendig, dass sie endlich gefunden wird.«
Eine leichte Falte erschien über der schmalen Nasenwurzel der Benediktinerin, als sie überlegte. »Die Frau war nicht viel länger als einen Tag in unserem Kloster«, sagte sie langsam. »Aber … sie scheint sich auch auf die Buchmalerei zu verstehen …«
»Wie kommt Ihr darauf?«
Schwester Gunhild warf der Äbtissin, die schweigend und mit undurchdringlicher Miene den Anschuldigungen lauschte, einen raschen, nervösen Blick zu. »Ich bin gemeinsam mit unserer Äbtissin nachts im Skriptorium auf die Frau gestoßen. Sie hatte die Farbmittel durchwühlt … Und sie machte einige ungezogene, vorlaute Bemerkungen über die Buchmalereien, die im Skriptorium unter meiner Leitung ausgeführt werden.«
Sieh an, dachte die Äbtissin. Schwester Gunhild treibt also nicht nur die Sorge um die Reinheit des Glaubens um, sondern auch die Missgunst.
»Sie schien sich zudem mit den Buchmalereien der benediktinischen Klöster auszukennen. Mit den verschiedenen Stilen«, redete die Nonne weiter.
Heinrich von Müllenark räusperte sich und ergriff nun erstmals das Wort. »Könnte die Frau in einem Kloster Eures Ordens in dieser Kunst ausgebildet worden sein? Ist sie vielleicht eine entlaufene Nonne?«
»Das wäre möglich«, erwiderte Schwester Gunhild zögernd.
»Ihr habt gehört, was diese Nonne zu sagen hatte«, Enzio von Trient drehte sich jäh wieder zu der Äbtissin um. Seine Stimme klang schneidend. »Streitet Ihr immer noch ab, dass sich diese Frau in Eurem Kloster aufhielt, oder soll ich erst noch die anderen Schwestern befragen?«
Einen Augenblick lang schaute die Äbtissin durch den Saal, den das harte, klare Licht eines weiteren sonnigen Wintertages füllte. Ein Licht, das beinahe schmerzte. Jahrzehntelang hatte sie hier die Macht über ihr Kloster ausgeübt. Es lag durchaus eine gewisse Ironie darin, dass ihr ausgerechnet an diesem Ort die Macht genommen werden würde. Aber sie würde nicht kampflos aufgeben. Sie straffte sich.
»Dieses Kloster untersteht meiner Verantwortung«, entgegnete sie ruhig. »Wen ich hier aufnehme, das ist meine Sache und ich bin dafür allein Gott verantwortlich.«
»Und Seinen Gerichten … Ihr scheint zu vergessen, dass immer noch die Kirche die Mittlerin zwischen Gott und den Menschen ist. Wer Ketzer begünstigt, macht sich selbst der Ketzerei schuldig und hat dafür gegenüber der Inquisition einzustehen.«
Ein Lichtstrahl brach sich in dem schweren goldenen Ring der Äbtissin. Unwillkürlich fasste sie nach ihm. Aus den verhangenen, steingrauen Augen des Kardinals sprach Zorn. Eine kalte Wut, die er nicht nur wegen seiner Rolle als päpstlicher Legat mimte. Nein, diese Wut entsprang auch dem Wissen, dass sie seinen Plänen gefährlich werden konnte. Was wäre, wenn sie ihn jetzt, vor Heinrich von Müllenark, des Mordes an Gisbert, dem Inquisitor, anklagte? Einen Moment lang spielte sie mit dem Gedanken, verwarf ihn jedoch wieder. Heinrich von Müllenark würde ihr nicht glauben und Enzio von Trient sie umbringen lassen. Die Beginen wären ihm völlig hilflos ausgeliefert. Nein, sie musste einen anderen Weg finden … Ihre verwandtschaftlichen Beziehungen nutzen …
Sie hob stolz das Haupt. »Falls Ihr mich der Ketzerei anklagen wollt, werdet Ihr dies schon vor dem Reichsgericht tun müssen.«
»Verlasst Euch darauf. In meiner Verantwortung als Legat des Papstes werde ich dies tun. Und ich werde dafür sorgen, dass Ihr bis dahin nicht noch mehr Unheil anrichten könnt.«
Die Äbtissin starrte den Kardinal aus ihren alten, dunklen Augen an. Ihre pergamentene Gesichtshaut spannte sich über den Knochen. »Wagt es nicht, mich aus diesem Kloster wegzubringen!«, versetzte sie verächtlich.
Heinrich von Müllenark hatte bislang geschwiegen und nur ab und zu unbehaglich zwischen ihr und dem Kardinal hin- und hergesehen, als fürchtete er, einer von beiden würde ihn auffordern, Partei zu ergreifen. Jetzt trat er einen Schritt vor und breitete die Arme aus.
»Ehrwürdige Mutter«, sein gerötetes Antlitz warb um Verständnis. »Ich bin überzeugt, Euch wird Gerechtigkeit widerfahren. Und was die Zeit bis zu einem möglichen Prozess anbelangt – niemand will Euch aus Eurem Kloster entfernen …« Mit unerwarteter Festigkeit wandte er sich Enzio zu.
»Dies war ganz und gar nicht meine Absicht …« Der Kardinal
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