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Die Buchmalerin

Die Buchmalerin

Titel: Die Buchmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sauer
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neigte zustimmend den Kopf.
    »Nun …« Der Erzbischof atmete auf.
    »Diese Benediktinerin sagte«, Enzio wies auf Schwester Gunhild, »die Frau, nach der wir suchen, sei aus Eurem Kloster verschwunden. Äbtissin, wo ist sie hingegangen?«
    »Ich weiß es nicht.«
    Der Kardinal musterte sie spöttisch. »Natürlich … Ihr habt sicher nichts dagegen, dass meine Soldaten Euer Kloster durchsuchen?«
    »Tut, was Euch beliebt.«
    Enzio von Trient vollführte einige rasche Schritte, ehe er seine Aufmerksamkeit wieder auf den Erzbischof richtete.
    »Heinrich von Müllenark, die Äbtissin soll natürlich in ihrem Kloster bleiben und innerhalb seiner Mauern unbehelligt ihren Pflichten nachgehen können. Ich erachte es aber für notwendig, dass sie das Kloster ohne meine Erlaubnis nicht verlässt und dass die Briefe, die sie schickt oder empfängt, kontrolliert werden. Denn bei allem Respekt vor der hohen Stellung der Äbtissin, die Ketzerei ist ein schweres Vergehen gegen Gott, und vor Ihm, unserem Herrn, sind wir alle gleich.«
    »Gewiss …« Der Erzbischof nickte. »Äbtissin, könnt Ihr es hinnehmen, dass Euer Kloster unter Bewachung steht?« Seine angespannte und bedrückte Miene verriet deutlich, dass er in diesem Moment an all die Sünden dachte, die er sich hatte zu Schulden kommen lassen.
    »Ja«, bemerkte sie trocken, »vor Gott sind wir alle gleich, und darauf vertraue ich …«
    Enzio von Trient deutete eine Verbeugung an, als hätte er die Herausforderung verstanden und angenommen.
    Adelheid glaubte, er und der Erzbischof würden nun den Saal verlassen. Doch stattdessen betrachtete der Kardinal sie weiter nachdenklich. Erschrocken begriff sie, dass all das, was er bisher zu ihr gesagt hatte, nur ein Vorgeplänkel gewesen war.
    »Ehrwürdige Mutter«, als er wieder das Wort ergriff, klang seine Stimme beinahe liebenswürdig, »es wird Euch sicherlich interessieren zu erfahren, dass der Mörder von Gisbert, dem Inquisitor, gefunden ist. Ein Begarde, der bei den Frauen in der Stolkgasse häufig ein und aus ging, hat die Tat gestanden. Er brachte Gisbert um, da er die Inquisition hasst, und die Zauberkräfte einer Begine mit Namen Bilhildis halfen ihm dabei … Eine Frau, welche die Strafe des Himmels bereits ereilte. Ein Steinwurf tötete sie gestern.«

    *

    Donata blieb stehen und stützte sich auf ihren groben Stock. Sie versuchte, den Schmerz nicht zu beachten, der dumpf in ihrem rechten Bein hämmerte. Vor ihr, in einem schmalen Tal, beschienen von einer blassen Wintersonne, lag das Gehöft, das die Äbtissin in ihrem Brief an den Gutsverwalter beschrieben hatte. Eine hohe, dick verschneite Hecke umgab es, über die da und dort Dachsparren ragten. Wo der Wind den Schnee von ihnen herabgeweht hatte, waren sie schwarz verfärbt.
    Vier Tage hatte sie mit ihrem verletzten Bein für den Weg hierher benötigt, hatte die vergangenen Nächte in Scheunen und einer verlassenen Köhlerhütte geschlafen. Und gegen Mittag dieses Tages hatte sie sich verlaufen und gefürchtet, das Gehöft vor dem Abend nicht mehr zu finden. Sie war zu erschöpft, um Erleichterung zu spüren oder sich gar zu freuen.
    Stumpf arbeitete sie sich durch den kniehohen Schnee auf die Öffnung in der Hecke zu. Jenseits der Lücke, die die Büsche wie einen Torgang überwucherten, blieb sie wieder stehen und sah sich um. Ein Brunnen, von dessen Rad und Dach lange, ineinander verschlungene Eiszapfen herabhingen und groteske Formen bildeten. Fast glichen sie den Dämonenfratzen an den Kirchen. Ein Baum, dessen Krone eine dünne Eisschicht überzog. Quer durch die Umfriedung verlief eine schmale Einkerbung im Schnee, ein vormaliger Pfad. An seinem Ende befand sich das, was einmal das Haupthaus gewesen sein mochte, Dachsparren und versengte Reste von Fachwerk …
    Donata biss die Zähne zusammen und zwang sich, dem verschneiten Pfad zu folgen, bemerkte kaum, dass das Gehen hier leichter war als draußen auf dem Feld. Endlich hatte sie die Ruine des Haupthauses erreicht. Eine dicke Schneeschicht lag auf dem Boden, weder Zwischenwände noch Zimmerdecken waren erhalten geblieben.
    Vier Tage lang war sie hierher gelaufen … Donata lehnte sich gegen einen Balken und starrte in den gräulich weißen Schnee, der das bedeckte, was einmal das Innere eines Hauses gewesen war. Dieser Ort war die letzte Zuflucht, die sie hatte … Hatte sich der Himmel einen bösen Spaß erlaubt und deshalb dafür gesorgt, dass die Äbtissin ihr den Brief diktierte? Nur damit sie

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