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Die Buchmalerin

Die Buchmalerin

Titel: Die Buchmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sauer
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berühren …«
    Auf den Wangen von Schwester Gunhild erschienen rote Flecken und sie kniff zornig die Lippen zusammen. »Ketzerei ist eine schwere Sünde …«
    »Oh, Hochmut auch, und er tarnt sich leicht durch verschiedene Verkleidungen. Der Sorge um die Reinheit des Glaubens beispielsweise …«
    »Gott hat uns auch aufgetragen, kein falsches Zeugnis abzulegen. Gebt es doch zu! Wenn ich dem Kardinal nicht gestanden hätte, dass sich jene Frau im Kloster aufhielt, dann hättet Ihr es geleugnet …« Schwester Gunhild brach erregt ab.
    »Euch bin ich wahrhaftig keine Rechenschaft schuldig!«
    »Nun, vielleicht seid Ihr es bald. Und zwar früher, als Ihr denkt.« Die Augen der Nonne funkelten wütend und voller Abneigung. »Der Kardinal hat mir versprochen, dass ich Eure Nachfolgerin werde. Dann, wenn Ihr abgesetzt seid und Euch vor dem Reichsgericht der Prozess gemacht wird. Ihr, eine Äbtissin, die weder Sitte noch Anstand kennt und keinen Respekt vor den Lehren der Kirche hat.«
    Der Mantel wird also schon verteilt, ging es der Äbtissin durch den Kopf. »Ich hoffe, dass es Gott irgendwann gelingt, Euch von Eurem Hochmut, Eurem Neid und Eurer Missgunst zu befreien …«, versetzte die alte Frau kalt.
    Schwester Gunhild hob den Kopf, als wollte sie noch etwas erwidern, unterließ es jedoch und schritt in stolzer Haltung durch die Halle. An der Tür wurde sie von einem der Soldaten Enzios in Empfang genommen.
    Die Äbtissin starrte ihr nach. Die Buchseite des Scivias kam ihr in den Sinn, auf der schwarze Sterne vom Himmel in den Abgrund stürzten. Furcht und Traurigkeit erfüllten sie. Sie musste für die Beginen und Alkuin, den Begarden, streiten, aber sie konnte nicht mehr auf ihre Kraft vertrauen. Zum ersten Mal in ihrem Leben fühlte sie sich zu schwach, um sich auf einen Kampf einzulassen.

    *

    Léon beugte sich im Sattel vor und schaute auf das Dorf, das in einem Tal, umgeben von einer hohen Hecke, unter ihm lag. Vor zwei Tagen hatten er und seine Leute die Frau und den Mann im Schneegestöber verloren. Und so sehr sie sich auch bemüht hatten, ihre Spur wieder zu finden – es war ihnen nicht gelungen. Ob es sich lohnte, zu dem Ort hinunterzureiten? Sein Instinkt bejahte es. Seit seine Reiter und er am Morgen aufgebrochen waren, hatten sie keine andere Behausung mehr gesehen. Vielleicht hatten die Frau und der Mann Nahrung benötigt oder etwas anderes. Im Winter gab es viele Gründe, ein Dorf aufzusuchen.
    Er gab seinen Leuten ein Zeichen. Langsam ritten sie den Abhang hinunter, der unter einer dicken Schneeschicht lag. Als sie die Öffnung in der Hecke passierten, wichen einige Kinder, die auf der schmalen, schmutzigen Gasse spielten, erschrocken beiseite. Ein ältlicher Dörfler, der einen Schlitten hinter sich herzog, trat zwischen den niedrigen Häusern hervor. Ein anderer, jüngerer Mann, der ein dickes Schaffell über seinem Wams trug, hackte Eiszapfen von einem Strohdach ab.
    »Du da … Sind vor kurzem eine Frau und ein Mann durch das Dorf gekommen?«, rief Léon ihn an.
    Der Jüngere legte sein Werkzeug nieder und trat hastig näher. In ehrerbietigem Abstand zu den Reitern blieb er stehen. »Nein, Herr, ein Kaufmann hat vor einigen Tagen hier Rast gemacht und gestern kamen ein paar Mönche, drei oder vier vielleicht, oberhalb des Dorfes vorbei. Aber ein Mann und eine Frau …, nein.«
    Mittlerweile hatte der Dörfler, der den Schlitten hinter sich herzog, am Rand der Gasse Halt gemacht. Er blickte von dem jüngeren Mann zu Léon und näherte sich dem Diener schließlich einige Schritte. »Doch, Herr, da war jemand«, sagte er zögernd. »Bei Odo und seinen Leuten … Fremde … Ein Nachbar hat es mir heute Morgen erzählt …« Er wies auf ein Gehöft, das ganz am Anfang der Gasse lag.
    Léon bedeutete den Soldaten zu warten. Als er kurz darauf das Gehöft erreichte und in den Hof ritt, kam ein gedrungener Mann, der ein knochiges Gesicht mit einer weit vorspringenden Nase hatte, aus einer Scheune. Er trug ein Handbeil in den Händen und ging auf einen Hackklotz zu, der an der Scheunenwand stand.
    »Bist du Odo?«
    Der Bauer nickte und blieb abwartend stehen. Seine Miene spiegelte Misstrauen. Léon ritt dicht an ihn heran. »Unlängst sollen ein Mann und eine Frau bei dir gewesen sein …«
    »Falls Ihr den Medicus und seine Frau meint, ja, gestern.«
    »Ein Medicus …«, Léon bemühte sich, gleichmütig zu sprechen.
    »Er hat meinem alten Vater die Schulter eingerenkt.«
    »Wohin sind sie

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