Die Buchmalerin
ihre Pferde lahmten –, fanden ihn. Odilo lag mit einem Messerstich in der Brust im Schnee und sie entdeckten einen Mann, der versuchte, in den Wald zu entkommen. Sie konnten ihn ergreifen.«
»Aber warum?«, flüsterte sie und ihr Gesicht verzerrte sich in Trauer. »Warum hat dieser Mann meinen Gatten getötet? Wollte er ihn ausrauben? Odilo hatte nichts Wertvolles bei sich …«
»Der Mann, der Euren Gatten ermordet hat, ist ein flüchtiger Ketzer.«
»Ich verstehe Euch nicht …«
Enzio beugte sich vor. »Ich schätze, dass Odilo den Mann erkannt hat und dieser ihn deshalb ermordete.«
»Ein Ketzer …«
»Er fürchtete, Euer Mann könnte ihn der Inquisition übergeben.«
»Das hätte Odilo nicht getan!« Tränen rannen Gertruds Wangen hinab, dennoch erschien der schwache Abglanz eines Lächelns um ihren Mund. »Ihm waren Pflicht und Treue sehr wichtig, aber er hat der Inquisition misstraut …«
»Ja, Euer Gatte schätzte die Treue …« Während Enzio Gertrud zustimmte, dachte er spöttisch, dass es wirklich nicht leicht gewesen war, Odilo dazu zu bewegen, sich mit Friedrichs Kundschafter zu treffen. Die Aussicht auf Geld hatte nichts gefruchtet. Erst als Enzio gedroht hatte, die Frau und das Gesinde zu töten, hatte Odilo eingewilligt.
»Aber falls Euch dies ein Trost ist – Odilos Mörder wird für seine Tat büßen müssen«, fuhr der Kardinal sanft fort.
»Ich will nur, dass Odilo Gerechtigkeit widerfährt«, sagte sie leise.
»Das wird geschehen.« Der Kardinal erhob sich und wandte sich an die beiden Mägde. »Kümmert Euch gut um Eure Herrin!«
*
Der Schmerz schlug sich in Rogers Fleisch und sein Gebein, wenn sie die glühende Kohle auf seine Haut pressten, erfüllte ihn ganz, sodass er glaubte, zu zerbersten. Ja, sich dies sogar wünschte. Er spürte, dass er zuckte und zappelte. Dann und wann hörte er sich schreien und wimmern. Seine Arme, mit denen sie ihn an dem Balken festgebunden hatten, zerrten an den Schultergelenken.
»Wo ist die Frau?« Diese Frage war immer gegenwärtig. Mal laut, mal wie ein leiser, verebbender Ton, der in sein schwindendes Bewusstsein drang. Léon, der Diener, war immer im Schuppen. Ab und zu, wenn Roger die verschwollenen, blutverkrusteten Augen aufriss, sah er Enzio im Hintergrund stehen und ihn undurchdringlich mustern.
Manchmal ließen sie den Balken hinunter und ihn eine kurze Zeitspanne keuchend, mit beiden Füßen auf dem Boden stehen. Denn er sollte ihnen nicht zu bald wegsterben. Diese Momente waren ein Genuss und erfüllten ihn doch mit Furcht. Denn jedes Mal waren die Schmerzen in den Gelenken, wenn sie ihn wieder hinaufzogen, schlimmer als zuvor.
Manchmal verlor er völlig das Bewusstsein. Selige Momente, ehe ihn ein Schwall eisigen Wassers wieder zu sich brachte.
»Wo ist die Frau?« Er befand sich im Keller seines Hauses in Salerno und sezierte einen Leichnam, der auf dem groben Tisch vor ihm lag. Der Leichnam war er selbst. Gelblich hoben sich die Bahnen der Nervenstränge von dem aufgeschnittenen Fleisch ab. Kleine Flammen züngelten an ihnen entlang, fraßen sich durch den toten Körper bis in den Schädel. Dieser barst in einem Wirbel aus Feuer und Schmerzen. Die Glutstücke trafen ihn. Er hörte sich von weit her schreien.
Schwärze. Dann eiskaltes Wasser. Der Balken senkte sich und seine Füße berührten den Grund. Ein kalter Lufthauch streifte seine Haut. Mühsam hob er die Lider. Die Tür des Schuppens stand offen. Dunkelheit breitete sich dahinter aus. Er benötigte einen Moment, ehe er begriff. Es war Nacht geworden und er hatte den Ort, wo sich Donata verbarg, noch nicht preisgegeben. Mittlerweile hatte sie die Höhle verlassen und befand sich auf dem Weg zum Kloster. Sie hatte einen Vorsprung. Sie hatte eine Möglichkeit, Enzio und seinen Leuten zu entkommen.
Es war ihm gelungen, seine erste, selbst gesteckte Etappe zu erreichen. Ein Gefühl des Triumphes stieg in ihm auf. Auch wenn der Weg bis dahin unendlich lang und quälend sein würde – er musste versuchen, die Nacht zu überstehen, ohne zu verraten, wohin Donata ging. Sein nächstes Ziel war die Morgendämmerung.
*
Hugo, der Abt der Benediktinerabtei Maria Laach, beugte sich vor und legte seine Unterarme mit einer beinahe resignierenden Gebärde auf den schweren Holztisch. Obwohl kahlköpfig, war er ein noch recht junger Mann mit langen, schlanken Gliedern und einem ebenmäßigen, schmalen Gesicht. Noch immer wusste er nicht recht, was er von der Frau halten
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