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Die Buchmalerin

Die Buchmalerin

Titel: Die Buchmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sauer
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ließ.
    »Was hast du Friedrich berichtet?«
    Er antwortete nicht.
    »Nun, ich hätte auch nicht angenommen, dass einer von den Leuten des Kaisers sofort zu reden beginnt.« Noch immer blieb Enzios Stimme gelassen. »Du und die Frau – ihr wart zusammen bei dem Festmahl des Königs, in der alten Basilika …«
    Roger bemerkte ein rasches Aufblitzen von Metall. Dann riss ihm der Schlag den Kopf zur Seite. Er spürte Blut an seiner Wange herabrinnen, dort, wo ihn der Ring getroffen hatte, und seine Gesichtshälfte wurde gleichzeitig taub und brannte.
    »Wo ist die Frau?«
    Roger schwieg. Ein Fausthieb traf ihn in den Magen, er krümmte sich, wurde hochgerissen. Erneut traf ihn ein Hieb. Er sackte zusammen und übergab sich in den Schnee, wurde wieder in eine stehende Haltung gezerrt und festgehalten und empfing wehrlos den nächsten Schlag.

    *

    Wieder packten ihn Fäuste. Schmerzen schossen durch Rogers Körper, die ihn aus der Ohnmacht vertrieben und zu sich brachten. Er spürte, dass ihn Hände von einem Pferd herunterzogen, dass er taumelte und der Länge nach in den Schnee stürzte. Seine Arme waren auf dem Rücken zusammengebunden. Die Hände zerrten ihn hoch, während er noch keuchend nach Atem rang und sich sein Körper vor Pein krümmte. Er sah nichts! Voller Panik versuchte er, seine Lider zu bewegen. Schließlich öffneten sie sich und er begriff, dass sie von Blut verklebt waren, das aus einer Kopfwunde stammte. Die Soldaten schleiften ihn auf einen Schuppen zu. Es gelang ihm, den Kopf so weit zu heben, dass er einen Blick auf seine Umgebung erhaschen konnte. Große, gut erhaltene Gebäude um einen weiten Hof gruppiert. Sie warfen recht lange Schatten.
    Die Sonne, wo stand sie? Er musste es wissen. Sie zerrten ihn durch die Schuppentür. Er zwang sich, den Kopf zu wenden. Die Sonne befand sich dicht über einem verschneiten Dachgiebel. Ihr Schein blendete ihn, sodass er die Augen wieder schließen musste. Eine Tür schlug klappernd zu. Die Fäuste warfen ihn zu Boden, was neue Wellen von Schmerz verursachte. Ein schwacher Geruch von Heu und von Saatgut, der ihm Übelkeit bereitete, lag in der Luft. Aber er hatte längst nichts mehr in sich, was er hätte erbrechen können.
    Bald würde die Dunkelheit hereinbrechen. Diese Zeitspanne war die Wegstrecke, die er unbedingt bewältigen musste. Was auch immer sie noch mit ihm anstellten. Bis zum Einbruch der Dunkelheit musste er aushalten. So lange, bis Donata die Höhle verließ und sie einen Vorsprung vor Enzios Soldaten hatte.
    Von irgendwoher ertönte ein Klagen. War er es selbst, der dieses Jammern ausstieß? Roger kam wieder zu sich. Neben ihm ragte ein prall gefüllter Sack auf. Er lehnte seine Wange daran und empfand die Berührung als beinahe tröstlich. Das Klagen kam von draußen. Es waren mehrere Stimmen, nicht nur eine einzige … War es möglich, dass sie ihn zu Odilos Gehöft gebracht hatten? Er war sich nicht ganz sicher, aber er glaubte, sich zu erinnern, dass er den Leichnam des Mannes auf einem Pferd gesehen hatte, ehe die Ohnmacht über ihn gekommen war.
    Eine Tür wurde aufgestoßen. Eisige Luft drang in den Schuppen, in die sich der Geruch von glühenden Kohlen mischte. Männerstimmen … Die Hände packten ihn wieder, zogen ihn auf die Beine. Das Hemd wurde ihm vom Leib gerissen. Immer noch benommen schaute er auf. Ein Balken hing an dicken Seilen von den Dachsparren herab. Daneben stand ein Kohlebecken. Ein dumpfer Schrecken stieg in ihm auf. Bis zum Anbruch der Dunkelheit … wenigstens so lange musste er durchhalten!

    *

    Nach Anbruch der Morgendämmerung hatte Donata weiteres Feuerholz gesammelt. Den Rest des Tages verbrachte sie in der Höhle, schob ab und zu einen Ast in die Glut, sog die spärliche Wärme in sich auf und kämpfte gegen die Unruhe und Unrast an, die sie erfüllten. Irgendwann griff sie nach ihrem Bündel und nahm zögernd das Lederstück heraus, auf dem sich die Zeichnung des Thymianzweiges befand. Auch in dem kargen Licht, das in der Höhle herrschte, hoben sich die Umrisse des Zweiges klar und deutlich vom Untergrund ab. Sie wusste, dass ihre Hand diese Linien festgehalten hatte. Trotzdem konnte sie es nicht glauben.
    Sie vermeinte, Rogers Stimme zu hören, ungeduldig und drängend: »Nehmt den Stift noch einmal in die Hand!« Sie war zornig über diese Stimme, griff aber schließlich doch nach dem Silberstift und setzte ihn auf ein freies Stück des Leders. Ihre Hand würde ihr nicht gehorchen. An jenem Morgen

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