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Die Buchmalerin

Die Buchmalerin

Titel: Die Buchmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sauer
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nur noch der Schnee, der Boden und Dächer bedeckte, ein schwaches Licht.
    »Veit, findest du dich zurecht?«, fragte Wulf leise. »Oder soll ich einen Kienspan anzünden?«
    »Ich kenne den Weg.« Veit hatte damit gerechnet, dass der Junge nicht ins Gästehaus zurückkehren würde, und sich in der Nähe des Skriptoriums verborgen. Und tatsächlich – nach einer Weile hatte der Junge in Begleitung eines Novizen die Küche im Untergeschoss verlassen. Es war nicht schwer gewesen, dem Novizen im Tausch gegen ein Geldstück die Auskunft zu entlocken, wohin er den Jungen gebracht hatte.
    Veit kniff die Augen zusammen und spähte durch die tanzenden Flocken in die Dunkelheit. Undeutlich konnte er ein hohes, steiles Dach und daneben die Umrisse eines kahlen Baumes erkennen, der eine ausladende Krone besaß. Die Scheune, in der der Junge schlief, war nicht weit entfernt von einem Stall, neben dem eine Linde stand, erinnerte er sich. Er ging weiter, hielt sich nach rechts. Büsche … Eine niedrige Mauer … Dahinter ein spitz zulaufendes, weit heruntergezogenes Dach. Veit tastete sich an der Bretterwand entlang, bis er die Tür fand, und zog sie vorsichtig auf. Nachdem er Gernot und Wulf bedeutet hatte, die Scheune zu betreten, schlüpfte er selbst hinein.
    Einige Augenblicke standen die drei Männer ruhig und abwartend da, versuchten, sich in der Dunkelheit zu orientieren, ehe Veit schließlich flüsterte: »Ich nehme an, der Junge schläft auf dem Heuboden. Gernot, zünde einen Kienspan an. Aber achte darauf, dass der Junge das Licht nicht zu schnell bemerkt.«

    *

    Donata wachte auf und lauschte in die Dunkelheit. Sie glaubte, von einem Geräusch geweckt worden zu sein. Doch außer dem Wind und dem Knarren des Gebälks drangen keine Laute an ihr Ohr. Sie schob sich tiefer in das Heu, das ihren Körper wie einen wärmenden Kokon umschloss, und dämmerte langsam wieder ein. Aber als sie fast schon die Grenze zum Schlaf überschritten hatte, nahm sie in der eisigen Luft, in die sich ein schwacher Duft von Körnern, Staub und Gras mischte, einen fremden Geruch wahr. Den Geruch von brennendem Holz. Sie schreckte erneut auf, fragte sich, ob dies nicht nur Teil eines Traums gewesen war. Als sie angespannt die Luft einsog, bemerkte sie den Geruch wieder; schwach, jedoch unverkennbar. Und nun hörte sie auch leise Stimmen und gedämpfte Schritte, unten, auf dem gefrorenen Boden.
    Wer auch immer sich in der Scheune aufhielt, er war nicht zufällig dort. Panisch versuchte Donata, etwas in der Schwärze zu erkennen. Doch sie konnte über sich nur einen schmalen dunkelgrauen Streifen ausmachen. Die Luke in der Giebelwand, die viel zu weit oben und viel zu eng war, als dass sie sich hätte hindurchschieben können. Aber sie hatte die Orientierung zurückgewonnen. Sie wusste nun wieder, wo sich das Ende des Heubodens befand. Hastig überlegte sie. Diejenigen, die sie suchten, würden über die Leiter heraufkommen. Ihr blieb nur eine Möglichkeit. Sie musste es schaffen, unbemerkt den Rand des Heubodens zu erreichen und nach unten zu springen. Vielleicht würde es ihr dann gelingen, aus der Scheune zu fliehen.
    Sie nahm das Messer in die Hand, hängte sich das Bündel um und begann, langsam und vorsichtig durch das Heu zu kriechen, wobei sie sich vergewisserte, dass sich der schmale Streifen grauen Lichts stets zu ihrer Rechten befand. Als sie eine leichte Erschütterung des Bretterbodens spürte, hob sie ein wenig den Kopf. Das Licht eines Kienspans fiel, abgedämpft durch eine Hand, die sich schützend davor legte, über das Heu. Dennoch konnte sie in der unsteten Helligkeit, die die Flamme verbreitete, die Umrisse zweier Menschen wahrnehmen. Eine breitschultrige Gestalt und eine schmale, drahtige.
    Donata, die es gewohnt war, sich die Merkmale von Menschen und Dingen einzuprägen, erkannte den rothaarigen Schreiber und einen seiner Kumpane sofort. Sie erinnerte sich an den kalten Hass auf dem Gesicht des Rothaarigen. Eine würgende Furcht stieg in ihr auf. Dennoch schob sie sich weiter durch das Heu. Schritte und flüsternde Stimmen näherten sich und entfernten sich wieder. Wenn die Schritte oder das flackernde Licht näher kamen, blieb sie mit angehaltenem Atem liegen. Wenn sie sich entfernten, kroch sie langsam weiter.
    Schließlich, als Donata wieder einmal vorsichtig den Kopf hob, sah sie, dass der Rand des Heubodens nur noch wenige Ellen weit weg war. Sie schob sich voran, nun auf den blanken Brettern, und wollte sich eben

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