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Die Buchmalerin

Die Buchmalerin

Titel: Die Buchmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sauer
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blindlings weiter, ohne zu wissen, welche Richtung sie einschlug, vermochte es nicht, sich in der Dunkelheit und dem leichten Schneetreiben zu orientieren. Sie hörte die Männer hinter sich rufen, wollte nur weg von diesen Stimmen und aus diesem Gewirr von nachtgrauen Gebäuden herausfinden. Sie war in ein Labyrinth geraten, ein Labyrinth ohne Mitte und ohne Ausgang.
    Als sie einen schmalen Durchgang zwischen zwei Schuppen entdeckte, rannte sie hinein. Der Schnee lag hoch und sie hatte Mühe, vorwärts zu kommen. Aber die Stimmen schienen sich zu entfernen. Am Ende des Durchgangs erblickte sie einen Lichtschein. Ohne zu überlegen, was sie tat, von dem Licht angezogen wie eine Motte, die in eine Flamme fliegt, stürzte sie darauf zu.
    Ihr Weg führte sie über eine schmale Brücke, dann durch einen niedrigen Torbogen. Nun erkannte sie, dass sie auf den Klosterhof zulief, an dem das Gästehaus und das Skriptorium lagen. Der Hof, von dem aus das große Tor zur Straße und zum Fluss führte. Ob es noch geöffnet war? Keuchend stolperte sie voran. Wieder ein schmaler Weg, der sie zwischen zwei dunkle Gebäude führte. Er mündete in den Hof. Während Donata weiterrannte, schaute sie sich hastig um. An der Schmalseite des Gevierts machten sich Knechte an Karren und Wagen zu schaffen. Doch die Männer achteten nicht auf sie. Das Tor … Es stand offen. Ein dünner Schleier aus Flocken ging davor nieder.
    »Die Frau! Haltet die Frau fest, sie hat eine Scheune in Brand gesteckt!«
    Voller Angst wandte sie den Kopf. Der rothaarige Schreiber war hinter ihr.
    »Haltet die Frau fest!«
    Die Männer bei den Karren unterbrachen ihre Arbeit und schauten unschlüssig zu ihr herüber. Ein stechender Schmerz zerrte in ihrer Seite. Sie musste das Tor erreichen!
    Fragende und rufende Stimmen erklangen. Dazwischen wieder die des Schreibers, laut und durchdringend: »Die Frau ist eine Zauberin. Sie hat eine Scheune in Brand gesteckt.«
    Groß und breit lag die Toröffnung jetzt vor ihr. Donata glaubte, das Wasser des nahen Flusses riechen zu können. In diesem Augenblick bemerkte sie den Mann, der neben einem Karren ganz in der Nähe des Tores stand.
    Es ist vorbei, dachte sie. Eine merkwürdige Ruhe überkam sie, während sie weiterstolperte. Die Stimmen hinter ihr hörte sie nur noch gedämpft. Eine Fackel brannte in einer Halterung am steinernen Torbogen. Über der Flamme zerschmolzen die Schneeflocken. Den rötlichen Schein umgab eine Aureole aus tiefem, strahlendem Blau. Ein Blau wie das aus der Tiefe eines Lapislazulis.
    Das Licht der Fackel fiel nun auf das Gesicht des Mannes, der ihr entgegentrat. Sehr klar nahm Donata es wahr. Ein breites, starkknochiges Gesicht mit einer Haut, die eine dunklere Färbung besaß, als sie gewöhnlich den Menschen in diesem Land zu Eigen war. Haare und Bart hoben sich hell davon ab. Die Augen des Mannes waren von einem kühlen Blau. Er sah rasch über den Hof, dann wieder zu ihr zurück. Es lag nichts Feindseliges in seinem Blick, aber auch keine Anteilnahme. Zorn erfüllte sie.
    »Packt die Frau! Die Zauberin!« Die Worte des Rothaarigen klangen gellend und erschreckend nah hinter ihr.
    Der Mann neben dem Tor machte eine Bewegung auf Donata zu. Obwohl sie wusste, dass es nutzlos war, versuchte sie, ihm auszuweichen. Noch immer schauten sie sich an. Sie glaubte, ihn leicht den Kopf schütteln zu sehen. Gleichzeitig packte er die Zugstangen des Karrens.
    Als Donata durch das Tor rannte, hörte sie hinter sich einen Aufschrei und dann ein dumpfes Geräusch. So als wenn ein Mensch gegen ein Hindernis geprallt wäre. Im ersten Moment konnte sie in der Dunkelheit jenseits des Tors kaum etwas erkennen. Instinktiv wandte sie sich in die Richtung, wo sie den Fluss vermutete.
    Allmählich, während Donata rannte und stolperte und hinter ihr das Geschrei wieder lauter wurde, hoben sich die Umrisse von Bäumen und Büschen vor dem dunkelgrauen Nachthimmel ab. War dies das Gesträuch, das den kleinen Hafen begrenzte? Sie wusste es nicht mehr, taumelte weiter. Als sie es doch wagte, sich umzuschauen, sah sie leuchtende Fackeln vor dem Tor des Klosters. Verzerrte Schatten von Menschen tanzten über den Schnee.
    Donata hatte das Gebüsch erreicht, Zweige schlugen ihr ins Gesicht, sie konnte das Murmeln des Flusses hören und seine Kälte spüren. Sie zwängte sich zwischen den Ästen hindurch und stand nun an einem schmalen Uferstreifen. Der Hafen, wo war er? Flussauf- oder -abwärts? Er hatte hinter einer

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